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Ausgrabung nahe Fredrikstad

Norwegen: 30 rätselhafte Kindergräber entdeckt – rund 2.800 Jahre alt

Archäologen haben bei Ausgrabungen im Südosten Norwegens Dutzende kreisförmige Steingebilde entdeckt. Alle wiesen in der Mitte verbrannte Knochenreste auf, die meist von Kindern stammten. Nun stehen die Forscher vor gleich mehreren Rätseln.

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Die Archäologen bei der Ausgrabung – insgesamt 41 Grabstätten wurden freigelegt. (Foto: Museum für Kulturgeschichte / Universität Oslo)

Das Gräberfeld ist nach Angaben des Museums für Kulturgeschichte der Universität Oslo einzigartig in Europa. Gefunden wurde es in der Gemeinde Fredrikstad bereits im Herbst 2023, doch erst jetzt konnten die Untersuchungen der Knochenreste abgeschlossen werden.

Überraschung Nummer 1 war zunächst die schiere Präsenz der Gräber, denn im vergangenen Jahr war keines davon auf dem Gelände zu sehen. Erst nach dem Entfernen der Grasnarbe entdeckten die Archäologen über 40 Steinformationen, die rund 10 Zentimeter unter der Oberfläche lagen.

Die Formationen erwiesen sich als rund oder oval und hatten einen Durchmesser von einem bis zwei Metern. Mehrere hatten deutliche Randsteine und eine zentrale Steinplatte oder einen großen Stein zur Begrenzung nach oben.

„Wir dachten gleich, dass es sich um Gräber handeln muss“, sagt die Grabungsleiterin Guro Fossum vom Museum für Kulturgeschichte. Bei weiteren Untersuchungen wurden dann verbrannte Knochen, Keramikscherben und andere Artefakte gefunden. Alle Gräber waren gut erhalten.

Überraschung Nummer 2 war schließlich, dass es sich bei den kreisförmigen Gebilden um Grabstätten für fast ausschließlich Kleinkinder handelte. Die jüngsten Analyseergebnisse deuten mehrheitlich auf ein Alter von drei bis sechs Jahren zum Zeitpunkt des Todes hin.

Die Datierung der Grabinhalte zeigte zudem eine mehrere hundert Jahre lange Nutzung der Stätte. Die meisten Kinder wurden im Zeitraum von 800 bis 400 vor Christus bestattet. Damit dürfte der Friedhof annähernd 3.000 Jahre alt sein.

“Der ganze Ort hatte etwas Besonderes an sich“

„Die Datierung zeigt, dass die Grabstätte über einen langen Zeitraum genutzt wurde, sodass nicht alle Kinder bei ein und derselben Naturkatastrophe oder beim Ausbruch einer Krankheit oder einer Epidemie gestorben sein können“, teilte Fossum diese Woche mit.

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Die Gräber stammen aus der Zeit des Übergangs von der Bronze- in die Eisenzeit. Die meisten Kinder wurden zwischen 800 und 400 v. Chr. bestattet. (Foto: Museum für Kulturgeschichte / Universität Oslo)

Diese Grabdenkmäler sind wichtige Quellen für das Wissen über das Leben der Menschen in früheren Zeiten. Die Archäologen haben daher erhebliche Anstrengungen unternommen, um Material zu sichern, das wertvolle Informationen liefern kann.

„Der ganze Ort hatte etwas Besonderes an sich. Die Gräber liegen sehr dicht beieinander. Sie müssen in einer offenen Landschaft gelegen haben, mit Wegen in der Nähe, sodass jeder in der Gegend von ihnen gewusst haben muss“, fuhr die Expertin fort.

Kochgruben und Feuerstellen rund um die Stätte deuten darauf hin, dass im Zusammenhang mit den Bestattungen Versammlungen und Zeremonien abgehalten wurden. Außerdem waren alle Gräber schön und sorgfältig gearbeitet.

Jeder Stein stammte von einem anderen Ort und wurde genau in der Formation platziert. „Wir haben uns gefragt, wer sich so viel Mühe gegeben hat“, sagt Fossum. Ein Schlüssel bei den anstehenden Analysen könnten gefundene Keramikfragmente sein.

„Das kann uns hoffentlich eine Menge sagen. Es sieht nämlich nicht so aus, als ob alle Gefäße für verbrannte Knochen waren. Einige wurden zwischen die Gräber gestellt, wir sind sehr neugierig darauf, was sich in ihnen befand“, so Fossum weiter.

Fürs Erste bleiben den Archäologen mehr Fragen als Antworten

„In Norwegen wurden zwar schon viele alte Grabstätten gefunden, aber diese hier war besonders faszinierend. Sie lagen hier wie ein Geheimnis, bis wir sie gefunden haben. Wir legten ein Grab nach dem anderen frei und hatten am Ende 41 runde Steingebilde“, schildert sie.

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Der ungefähre Fundort im Südosten Norwegens – nahe der Gemeinde Fredrikstad. (Eigene Darstellung / NordNordWest / CC BY-SA 3.0 DE)

Fürs Erste bleiben den Archäologen aber mehr Fragen als Antworten: Warum wurden Kinder aus vermutlich der gesamten Region zentral an diesem Ort begraben? Warum ausgerechnet hier? Und wie konnte diese Tradition über mehrere hundert Jahre aufrechterhalten bleiben?

„Wir wissen nicht, was für einen Glauben sie hatten, warum die Toten verbrannt und begraben wurden. Möglicherweise glaubten sie, dass der Körper durch das Feuer zerstört und verwandelt werden musste, um die Seele zu befreien“, mutmaßt die Archäologin.

Es scheint, dass die soziale Struktur eher egalitär war, da es keine Unterschiede zwischen den Gräbern gab. Es wurde die gleiche Art von Beigaben und Bestattungsmethode verwendet. „Das deutet auf eine Gesellschaft hin, in der Gemeinschaft wichtig war“, sagte Fossum gegenüber Science Norway.

Das Historische Museum in Norwegens Hauptstadt Oslo eröffnet demnächst eine Ausstellung mit dem Titel „In Erinnerung an die Kinder“. Zu den Exponaten gehört dann auch eine Steinformation aus einem der Kindergräber. Ein faszinierender Fund, dessen Rätsel noch längst nicht gelöst sind.

Regionaler Hintergrund: Die Østfoldregion wurde bereits in der Jungsteinzeit besiedelt. Fredrikstad als Gemeinde wurde hingegen 1567 von König Fredrik II. gegründet – und zwar 15 Kilometer von der alten Stadt Sarpsborg entfernt, die zuvor durch schwedische Truppen niedergebrannt worden war.

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