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Ein Literaturpreis schafft sich ab – Kommentar

Neues Nobelkomitee der Schwedischen Akademie: Immer noch gestört

Nach dem letztjährigen Skandal und dem Ausfall der Nobelpreisverleihung für Literatur, löst die Schwedische Akademie erneut einen Skandal aus, der dem Ansehen der Organisation schadet.

Peter Handke Literaturnobelpreis
Peter Handke (l.) mit Sebastian Kurz, 2018. (Foto: Franz Johann Morgenbesser, CC BY-NC-SA 2.0)
Am Donnerstag gab das Komitee zwei Nobelpreisträger bekannt: Die polnische Schriftstellerin Olga Tokarczuk bekommt den Literaturnobelpreis 2018, Peter Handke bekommt ihn für das Jahr 2019.

Man hätte meinen können, die Akademie würde darauf bedacht sein, nach der Farce im letzten Jahr, jegliche Kontroverse in diesem Jahr vermeiden zu wollen, doch hat sie mit der Wahl Handkes als Preisträger sich als ernstzunehmendes Gremium erneut disqualifiziert.

Der britische Journalist und Romancier, Hari Kunzru, twitterte gestern: „Ich war in der Jury, die OT (Olga Tokarczuk, Anm. d. Red.) 2018 den Man Booker-Preis verlieh. Ich unterrichte Handke, habe den Schülern aber immer mit voller Überzeugung gesagt, dass eine Laudatio bei der Beerdigung des Völkermörders Milosevic ihn am Gewinnen hindern würde.“

Dann fügte er hinzu: „Ich schätze, der Appetit des Nobelkomitees auf Skandale ist nicht gestillt gewesen.“

Schriftstellerin und Präsidentin des Pen America, Jennifer Egan, schrieb gestern in einer Stellungnahme: „Wir sind über die Wahl eines Schriftstellers sprachlos, der seine gesellschaftliche Stellung dazu verwendete, um historische Fakten zu unterhöhlen und einem Völkermörder öffentlich Beistand zu leisten.“

Das Nobelkomitee ehrte Handke „für ein einflussreiches Werk, das mit linguistischem Einfallsreichtum die Peripherie und die Spezifität der menschlichen Erfahrung erforscht hat.“

Die Akademie führte weiter aus, sie habe Handke für sein literarisches Vermögen geehrt und politische Ansichten dabei nicht berücksichtigt. Doch darf ein Schriftsteller mit höchsten Weihen, die die literarische Welt zu bieten hat, ausgezeichnet werden, wenn er sein, fraglos großartiges Talent, dazu verwendet, „Böses“ in die Welt zu tragen?

Bereits 2010 schrieb Jürgen Brokoff in der FAZ, dass die Tendenz, das literarische Werk und die politische Haltung Handkes getrennt voneinander zu betrachten, seit geraumer Zeit nicht nur den journalistischen Umgang mit Handke, sondern auch die literaturwissenschaftliche Forschung bestimmte.

In seinem Artikel entlarvt Brokoff den frisch gekürten Nobelpreisträger, als einen ideologisch motivierten Schriftsteller, der das Massaker von Visegrad während des Jugoslawienkrieges leugnet, den Völkermord der Serben an den Bosniaken relativiert und die Opfer der ethnischen Säuberungen verhöhnt.

Brokoff schließt mit den Worten: „Es wird Zeit, sich bewusstzuwerden, dass von einem Autor solchen Ranges wie Handke eine Gefahr ausgehen kann. Seine auf vermeintliche Nebensächlichkeiten ausweichende, literarische Mittel einsetzende Ideologie gehört, gerade weil sie so subtil verfährt, zu den problematischsten Entgleisungen eines deutschsprachigen Autors nach dem Zweiten Weltkrieg. Dass diese Ideologie nicht nur neben einem – fraglos bedeutenden – Werk existiert, sondern tief in dieses Werk hineinragt, sollte ein Anlass zur Beunruhigung sein.“

Nicht nur im Lichte der Erschütterung des Nobelkomitees durch den Skandal um Jean-Claude Arnault im vergangenen Jahr – Arnault wurde 2018 wegen Vergewaltigung verurteilt -, ist die Preisverleihung an Peter Handke ein Affront. Das Komitee bewies hiermit, dass die Mitglieder des Gremiums, die für Handke gestimmt haben, und es ist die Mehrheit, völlig unqualifiziert darin sind, die Schwedische Akademie würdig zu vertreten. Zum großen Schaden der Akademie.

Ironischerweise rief Handke 2014 dazu auf, den Literaturnobelpreis abzuschaffen, der Preis würde zu einer „falschen Kanonisierung“ der Gewinner führen. Er glaubte wohl nicht daran, dass er ihn jemals selbst bekommen würde.

Handke, der bei Paris lebt, erklärte gegenüber AFP, dass er „nach all den Querelen“ um seine Arbeit „erstaunt“ sei, dass er 2019 den prestigeträchtigsten Literaturpreis der Welt gewann.

„Es war sehr mutig von der Schwedischen Akademie, diese Entscheidung zu treffen. Das sind gute Leute“, sagte er.

Mats Malm, seit Juni 2019 Ständiger Sekretär und Sprecher der Schwedischen Akademie, sagte gegenüber AFP: „Die Änderungen (gemeint ist die Erneuerung des Nobelkomitees, Anm. d. Red.) waren sehr produktiv und wir sind zuversichtlich für die Zukunft.“

Wir sind da weniger zuversichtlich. Und halten es mit der schwedischen Journalistin und Literaturkritikerin, Madelaine Levy, die in einem Interview mit AFP sagte: „Früher wurde der Nobelpreis mit höchstem literatischem Niveau in Verbindung gebracht, heute verbinden ihn viele mit #MeToo … und einer gestörten Organisation.“

Die einzige Möglichkeit, den Schaden des Ansehens für den Literaturpreis noch einigermaßen zu begrenzen, wäre, wenn Handke den Preis ablehnte. Doch das wird nicht passieren, dazu fehlt ihm das Format.

ap

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