James Bond ist tot
Schottland trauert um seinen Helden: Sean Connery ist gestorben
Es musste schon etwas Besonderes passieren, um die seit Wochen voll auf Corona und US-Wahl getaktete Medienwelt einen Moment lang innehalten zu lassen.
Die Nachricht vom Tode Sean Connerys war dieser Moment. Mag sein, dass man es vor allem als Mensch jenseits der 40, 50 und 60 so sieht und vor allem emotional verspürt.
In diesem Fall dürfen sich aber getrost alle Generationen angesprochen fühlen, denn das Kinoprodukt James Bond lebt ja weiter. Das macht es so speziell. Es wechselt zwar ab und an das Gesicht. Ansonsten ist aber schon mit dem Abspann klar, dass es irgendwann weitergehen wird.
Nur sind Kinorollen normalerweise nicht darauf angelegt, Jahrzehnte zu überdauern – und damit ganze Generationen von Filmtechnik, von Geschmäckern und Trends, von Schauspielern und Drehbuchautoren.
James Bond hat diesen Rahmen durchbrochen. Ach was: gesprengt. Und zwar völlig anders, als es die x-te Marvel-Verfilmung jemals wird schaffen können.
Doch warum ist das so? Warum steht James Bond selbst in der heutigen Zeit nicht (wirklich) unter Selbstzweck-Verdacht? Und auch nicht in der Bringschuld, irgendwelche Kinorekorde brechen oder gar Oscars gewinnen zu müssen? Jedenfalls nicht beim Zuschauer.
Wahrscheinlich liegt es einfach an der langen, langen Historie des Streifens, die ihn einerseits so unverdächtig macht und andererseits so selbstverständlich. So vollkommen anders.
Denn seien wir ehrlich, es hat auch schon schlechte Bond-Filme gegeben – und schlechte Bond-Darsteller. Episoden also in einer langen Reihe, die nicht zwingend das Zeug hatten, in die nächste Runde zu gehen. Und doch ist es immer wieder geschehen. Weil, ja weil es eben Bond ist.
Und der leibhaftige Bond, nicht das Produkt Bond, sondern Bond himself, das ist nun einmal Sean Connery. Auf ihn und seine insgesamt sieben Verfilmungen geht zurück, was sich danach über Jahrzehnte so atypisch verselbständigt hat. Inzwischen gibt es 25 Bond-Verfilmungen.
Connerys Verdienst ist, dass er der Rolle früh das mit auf den Weg gegeben hat, was ihr cineastisches Überleben bis in die heutige Zeit ermöglicht hat.
Sozusagen den Maßstab, der noch immer fest zum Jobprofil aller Bond-Darsteller gehört – und an dem sich seine Nachfolger immer messen lassen mussten.
Und ganz ehrlich, dieses Gesamtpaket aus Lässigkeit und Charme, aus Arroganz und Kaltschnäuzigkeit, aus Eiseskälte und Lass-dich-drücken hatte dann doch nur Connery zu bieten. Das Original.
Natürlich waren auch Moore und Brosnan lässig. Aber auch eiskalt und verdorben, wie Connery es sein konnte? Natürlich ist auch Craig ein harter Hund, viel härter wahrscheinlich. Aber könnte man mit so einem mal einen Abend stressfrei um die Häuser ziehen? Und Dalton? Ein Charmeur?
Gut, die Sache mit Lazenby. Er hatte was, war aber nach nur einer Episode schon wieder weg. Und einmal ist im Bond-Kosmos ja bekanntlich keinmal.
Irrwitzigerweise war Connery ursprünglich gar nicht für die Rolle des James Bond vorgesehen. Es gab andere Favoriten, mit denen man sich jedoch aus unterschiedlichen Gründen nicht einigen konnte.
Also fiel die Wahl auf den aus Edinburgh stammenden Sohn eines Fernfahrers, der sich lange Zeit mit Gelegenheitsjobs der derberen Sorte über Wasser gehalten hatte.
Und der es dann auch im Film so verkörperte wie einer, dem die Privilegien seiner Zeit nicht in den Schoß gefallen waren. Bonds ganz spezielle Distanz zur Obrigkeit offenbarte sich immer im Verhältnis zu seinen Vorgesetzten, die er im Grunde allesamt wissen ließ, dass sie ihn mal konnten.
Auch das dürfte Bond all die Jahrzehnte zur Projektionsfläche für eine Reihe von Sehnsüchten gemacht haben, die seine Kinobesucher – vor allem die männlichen – im richtigen Leben (zum Glück) nicht ausleben konnten.
Man stelle sich Bonds Hedonismus im großen Stil vor. Er hätte das Zeug gehabt, jede Wertegemeinschaft zu sprengen.
„I‘m the money“, hat sich Vesper nicht ihm, Connery, sondern Craig im Streifen „Casino Royale“ in einer für wahr gelungenen Szene vorgestellt – und ihn, Bond, kurz später in wenigen Sätzen auf das gestutzt, was er eigentlich immer war.
Auf einen, der nicht wirklich dazu gehörte. Einen Einzelgänger. Und dem es deshalb auch immer egal war. Hauptsache, Job erledigt und schnell an die Bar. Und später ins Bett, mit der Frau von der Bar. Oder vom Casinotisch.
Gut, dass man das in den 2000er Jahren einfach mal klargestellt hat – und zwar aus dem Mund einer Frau, der Bond danach auch noch tragisch und trügerisch verfiel.
Als sei es nach Jahrzehnten des ungezügelten Macho-Daseins und der, nun ja, sehr zugespitzten Darstellung von Weiblichkeit einfach mal an der Zeit gewesen, auch einen wie Bond zum Deppen zu machen.
Connery hatte sich da schon längst von seiner Rolle gelöst und nachgewiesen, dass er auch abseits von Bond und später im gesetzten Alter hervorragend zu den Figuren passte, die er verkörperte.
Den Oscar bekam Connery schließlich für seine Rolle im Mafiaepos „The Untouchables“. Sein Vermächtnis wird aber Bond bleiben. Für immer.
sh