Das große Tricksen hat begonnen
Brexit: Britische Regierungsberater empfehlen Firmenverlegungen in die EU
Hieß es von Boris Johnson und Konsorten nicht, der Brexit würde auf der britischen Insel Arbeitsplätze erhalten und jede Menge Steuergelder sparen? Nun, dann passt nicht ganz ins Bild, was der Guardian am Wochenende berichtet hat.
Dem für gewöhnlich gut informierten Blatt liegen Erkenntnisse vor (unter Berufung auf den Observer), dass regierungsnahe Beraterteams vor allem Kleinunternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich aktuell empfehlen, Firmensitze in die Europäische Union zu verlegen.
Grund dafür sind die seit Anfang Januar – also dem operativen Beginn des Brexits – turmhoch steigenden Papierberge, Gebühren und Steuern, die der Handel mit der EU nach sich zieht.
Dass der Brexit-Start Probleme mit sich bringt: geschenkt. Aber Firmenverlagerungen in die EU? Das klingt eher nach Perspektivplan – und dürfte dem britischen Wahlvolk nur bedingt gefallen. Denn was sind die Konsequenzen solchen Handelns?
Einerseits, daher auch der wohlwollende Tipp der Berater, soll dieses Modell den britischen Unternehmen den Handel mit der EU deutlich erleichtern. Mit Sitz auf dem Festland vertreiben sich britische Produkte und Dienstleistungen schließlich signifikant leichter.
Seit dem Brexit anfallende Grenzfragen und Probleme mit der Mehrwertsteuer beispielsweise lassen sich so wirkungsvoll umschiffen. Der geldverschlingende Papierberg, so das Kalkül, er wird dadurch kleiner und kleiner.
Andererseits, und jetzt wird es sehr hakelig, bedeuten Unternehmensverlagerungen automatisch auch die Verlagerung von Arbeitsplätzen. Denn ohne Personal vor Ort kein Vertrieb, keine Fertigung, kein Empfang, keine Reinigung – oder was auch immer je nach Metier anfällt. Und noch einmal: Man erinnere sich an das Werben und die Slogans der Brexit-Befürworter.
Als Beweis für die Grundaussagen des Artikels beruft sich der Guardian auf Gespräche, die durch den Brexit ins Straucheln geratene Unternehmen derzeit mit hochrangigen Regierungsberatern führen.
Die Frage: „Was können wir machen?“ Die Antwort (zur Verwunderung des Fragenden): „Geht in die EU, eine andere Möglichkeit sehen wir nicht.“ Gespräche wie diese hätten im Moment wegen der Brisanz des Themas zwar eher inoffiziellen Charakter, so einer der Informanten, aber der Tenor sei eindeutig gewesen. „Sehr deutlich.“
Der betreffende Informant soll sich derweil bereits entschieden haben, ein neues Unternehmen in der EU registrieren zu lassen. Viele andere, so steht es geschrieben, könnten es ihm in den kommenden Wochen gleichtun. Die Probleme, überall dieselben – die Beratung ebenfalls.
Ein recht vielsagendes Zitat gibt es dazu: „Mir ist nun klar, dass es beim Brexit nicht darum geht, die Kontrolle von der EU zurückzugewinnen, sondern ganz im Gegenteil: Wir müssen in sie investieren, um überleben zu können.“
Sagt jemand, der sich anschickt, in ein paar Tagen eine Firmendependance in den Niederlanden zu eröffnen. Wie eine Brexit-Erfolgsgeschichte klingt das nicht.
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