Suizidgedanken, Rassismus usw.
England: TV-Interview von Harry und Meghan spaltet britische Öffentlichkeit
In einem mit Spannung erwarteten Interview im US-TV haben Prinz Harry und Herzogin Meghan tief blicken lassen. Die Bühne für das Gespräch war dank Gastgeberin Oprah Winfrey fast so gewaltig wie der Nachhall in Teilen der britischen Medien. Natürlich.
Einmal mehr wurde in dem Interview klar, dass die britischen Royals ein echtes Problem haben. Und zwar damit, dass es aus unterschiedlichsten Gründen immer und immer wieder misslingt, den Glamour des Königshauses auf alle Familienmitglieder abstrahlen zu lassen.
Von außen betrachtet kommt es einem inzwischen fast wie ein System vor: hier die beliebten, die vorzeigbaren und medial stets wohlwollend begleiteten Royals. Und dort die anderen, zumeist aus der zweiten Reihe der Thronfolge, an denen sich der Boulevard in Wort und Bild abarbeitet.
Und zwar – auch das gehört zur Wahrheit – zuverlässig begleitet, angefacht oder aber begründet durch persönliche Verfehlungen und Fehltritte der Protagonisten, wovon Andrew, Charles, Harry und andere inzwischen ein Liedchen singen können. Jeder war mal dran, mal heftiger, mal weniger heftig. Mal mehr, mal weniger selbst verschuldet.
Vor allem aber bleibt der Eindruck: Es scheint einfach Teil des royalen Tagesgeschäfts zu sein, neben strahlenden Siegern auch krachende Verlierer zu produzieren – die den Medien dann genüsslich zum Fraß vorgeworfen werden. Oder es eben selbst tun.
Harrys und Meghans Interview ist nun das nächste Kapitel bzw. eigentlich schon das nächste Level dieser langen Geschichte aus wechselseitigen Skandalisierungen. Hoch gefährlich ist es aus Sicht des Königshauses gerade deshalb, weil die beiden seit ihrem Rückzug von allen royalen Pflichten und dem Verzicht auf einen Gutteil ihrer Privilegien als sozusagen entfesselt zu bezeichnen sind. Dann kann man doch ganz offen reden, was sie bei Oprah auch taten.
Schon jetzt ist klar, dass die Liste der heiklen Punkte aus diesem Interview die britischen Boulevardblätter für die nächsten Wochen mit ausreichend Material versorgt bzw. munitioniert. Darauf lässt sich wunderbar aufbauen, wird sich mancher Redakteur denken. Hier die Punkte, über die in den britischen Medien noch zu reden sein wird. Garantiert.
Punkt 1: Meghan hat im Interview ausgebreitet, dass sie im Königshaus rund um die Geburt ihres ersten Kindes mit offen rassistischen Bedenken konfrontiert wurde. Man habe sich Sorgen um die Hautfarbe des kleinen Archie gemacht, begründet durch Meghans afroamerikanischen Familienhintergrund.
Und mehr noch: Namentlich nicht genannte Mitglieder der königlichen Familie hätten offen mit dem Gedanken gespielt, dem Sohn von Harry und Meghan wegen eben jener Bedenken den Prinzentitel vorzuenthalten. Schwer zu ertragen.
Punkt 2: Auch Harrys Verhältnis zu Vater Charles gibt Anlass zu Spekulationen. Man habe keinerlei Hilfe erfahren, um Meghan und ihm, Harry, als Paar eine Brücke in die Familie zu bauen. So jedenfalls erzählt es Harry bei Oprah und lässt dabei kein gutes Haar an der Rolle seines Vaters. Charles sei es gewesen, der irgendwann den Kontakt abgebrochen habe, was wiederum mitentscheidend gewesen sei für die Entscheidung des Paares, Großbritannien dauerhaft in Richtung USA zu verlassen.
Die Frage nach seinem Gefühl beantwortete Harry mit den Worten: „Es ist wirklich traurig, dass es zu dem Kontaktabbruch gekommen ist. Danach musste ich etwas für meine eigene mentale Gesundheit und die meiner jungen Familie tun.“ Der Abschied aus England sei unabwendbar gewesen.
Trotz allem verkommt das Interview nicht zu einer Generalabrechnung mit der Königsfamilie oder gar zum Gemetzel. Die Queen selbst wird gleich mehrfach als honoriges Oberhaupt dargestellt, Herzogin Kate als „guter Mensch“. Den Gefallen wollten Meghan und Harry dem britischen Boulevard dann doch nicht tun.
Dennoch bleibt der Eindruck (so wie übrigens schon in der Netflix-Serie „The Crown“), dass das britische Königshaus eine von Empathie und Mitmenschlichkeit weitgehend befreite Zone ist. Ein Apparat, der zu funktionieren und in dem jedes Mitglied seine Pflicht zu erfüllen hat: die Pflicht zur Repräsentanz, die Pflicht zu schweigen, die Pflicht zur Selbstaufgabe.
Punkt 3: Meghan sagt, sie habe in den Fängen des Korsetts mit anhaltenden Suizidgedanken zu kämpfen gehabt. „Ich wollte einfach nicht mehr leben“, schildert sie bei CBS. Sie habe sich in ihrer Verzweiflung an den Palast gewandt, um Hilfe zu empfangen. Fehlanzeige – weshalb Harry vielsagend zugibt, große Sorge vor einer Wiederholung von Geschichte gehabt zu haben.
Gemeint war natürlich der tragische Tod seiner Mutter Diana, nur gesagt hat er es nicht. Ach ja, den Tenor der britischen Boulevardmedien fasst CNN in einem Kommentar zum Interview so zusammen: „Selbstsüchtig“. Die nächste Runde, sie ist längst eröffnet.
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