Samen mit Klage erfolgreich
Norwegen: Müssen nach Gerichtsurteil 150 neue Windräder wieder abgerissen werden?
Der oberste Gerichtshof Norwegens ist am Montag mit einem echten Paukenschlag in die neue Woche gestartet. Denn er hat zwei Windparks die Betriebsgenehmigung entzogen, nachdem samische Rechtsvertreter gegen die erst 2020 fertiggestellten Turbinen geklagt hatten.
Der Vorwurf: Die schiere Präsenz und die Geräuschkulisse der Windräder würden in der Nähe weidende Rentiere derart negativ beeinflussen, ja verängstigen, dass die Kläger darin eine Gefährdung uralter norwegischer Traditionen sehen. Verbunden mit der Aufforderung, angestammtes Sami-Land zukünftig nicht mehr für solche Großprojekte zu opfern.
Die von dem Urteil betroffenen Windräder sind Teil einer milliardenschweren Investition in regenerative Energie. Genau gesagt: Teil des größten europäischen Onshore-Windparks mit Name Fosen Vind, der brandneu in der mittelnorwegischen Region Fosen errichtet worden ist.
Mit dem Urteil stellte der Oberste Gerichtshof nun einstimmig einen unzulässigen Eingriff in samisches Recht fest. Und mehr noch, es erklärte auch den Enteignungsbeschluss für ungültig, durch den die Betreiber des Windparks erst an das Land gekommen waren.
Entsprechend selbstbewusst stellte sich nach der Urteilsverkündung Knut Helge Hurum, Anwalt der Kläger, den Medien. Der Richterspruch könne nichts anderes bedeuten als die Verpflichtung der Betreiber, alle 150 Windturbinen wieder zu entfernen.
Gewaltiger Erfolg für die samische Kultur in Norwegen
„Unser Standpunkt lautet eindeutig, dass diese beiden Windparks illegal sind und abgerissen werden müssen“, zitiert Reuters Hurum. „Wir warten nun auf die Kontaktaufnahme der Windpark-Verantwortlichen, um zu sehen, was sie dazu zu sagen haben.“
Unterdessen zeigten sich die Betreiberunternehmen von dem Urteil zutiefst überrascht. Man müsse zunächst die Urteilsprüfung des norwegischen Energieministeriums abwarten, bevor man sich zum weiteren Vorgehen äußern könne, teilte ein Sprecher in einer ersten Stellungnahme mit.
Rechtsexperten vermuten, dass das Urteil auch auf andere Großprojekte einen erheblichen Einfluss haben dürfte. Jedenfalls dann, wenn davon samisches Weideland betroffen sein könnte. Damit ist gut möglich, dass das indigene Volk aus dem hohen Norden Europas am Montag einen Sieg errungen hat, der weit, weit über 150 Windräder hinausreicht.
Hintergrund: In Artikel 27 des UN-Vertrages heißt es, dass ethnischen Minderheiten nicht das Recht verweigert werden darf, sich gemeinschaftlich ihrer eigenen Kultur zu erfreuen, ihre Religion auszuüben oder ihre eigene Sprache zu verwenden.
Das norwegische Oberste Gericht stellte nun fest, dass die traditionelle Rentierzucht der Sami eine schützenswerte Form der kulturellen Identität und Praxis des indigenen Volkes ist.
Die Gesamtbevölkerung der Samen wird auf ungefähr 80.000 bis 100.000 Menschen geschätzt. Etwa die Hälfte davon lebt in Norwegen, die andere Hälfte verteilt sich auf Schweden, Finnland und Russland.
Die traditionellen Sami-Siedlungsgebiete werden Sápmi genannt. Ein Name, um den Energieriesen in Zukunft möglicherweise einen großen Bogen machen müssen.
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