Tenor der Schreihälse: zu jung, zu weiblich
Finnische Ministerpräsidentin beklagt Vielzahl „sexualisierter Hasskommentare“
Finnlands Ministerpräsidentin Sanna Marin hat sich diese Woche mit verstörenden Einblicken in ihren Regierungsalltag zu Wort gemeldet. Um Politik ging es dabei aber nur am Rande, im Mittelpunkt stand vielmehr ein beklagenswertes Phänomen unserer Zeit: digital hate speech.
Auf das Thema angesprochen, sagte die 36-Jährige gegenüber Reuters: „Wenn man jung und weiblich ist, sind die Hassreden, mit denen man konfrontiert wird, oft sexualisiert“. Der Ton in den sozialen Medien werde spürbar immer rauer, sagte Marin. „Das ist besorgniserregend.“
Marin wurde im Dezember 2019 als damals jüngste Regierungschefin der Welt ins Amt gewählt. Und ihr Regierungsteam besteht mehrheitlich nicht aus Männern (8), sondern aus Frauen (10), teils ebenfalls jungen Politikerinnen, was bei einem ganz bestimmten Teil der finnischen Wählerschaft zusätzlich für Verdruss sorgt.
Entsprechend groß sei inzwischen die Liste der sexualisierten Hasskommentare gegen sie und ihr Team, bilanzierte Marin, der weltweit über 500.000 Menschen auf Instagram folgen. „Ich möchte einfach klarstellen, dass wir diese Art von Verhalten nicht tolerieren.“
Das Spektrum der Hasskommentare scheint dabei genauso breit wie die privaten Interessen der Regierungschefin. Mal wird sie dafür angefeindet, auf Titelseiten von Modemagazinen präsent zu sein.
Mal sind es ihre guten Beziehungen zu Personen aus der Musik- oder der Influencer-Szene. Dann wiederum gefällt ihr häuslicher Lebensstil nicht – und auch der ihrer weiblichen Ministerinnen, von denen mittlerweile einige Elternzeit in Anspruch genommen haben.
Man muss wohl nicht näher erläutern, auf welch üblem Niveau sich die „Kritik“ bei solchen Themen abspielt. Und das nur, weil Marin davon überzeugt ist, dass auch junge Frauen politisch führen können.
Politik dürfe gerne auch mal menscheln, betont Marin stets. „Ich bin, wer ich bin: eine 36-jährige Mutter und ein junger Mensch, der Freunde und ein soziales Leben hat“, sieht sie – anders als ihre lautstarken Netzfeinde – keinerlei Widersprüchliches in ihrem Denken und Handeln.
„Weltweit ist das Idealbild von einer Führungspersönlichkeit immer noch sehr männlich. Und es gibt nur wenige Entscheidungsträger aus der jüngeren Generation“, fällt mit Blick auf das große Ganze Marins nüchterne Bilanz aus. Zumindest in Finnland möchte sie das ändern, ob es gefällt – oder nicht.
Bereits Anfang letzten Jahres stellten Experten für strategische Kommunikation fest, dass insbesondere finnische Politikerinnen auf Twitter geschlechtsspezifischen Beleidigungen ausgesetzt sind. In der Analyse hieß es, die Kommentare kämen größtenteils von rechtsgerichteten Konten.
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