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Finnlands Goldene Jahreszeit

Ruska: Der finnische Herbst im Rausch der Farben

Finnland hat vier bis acht Jahreszeiten, je nachdem, ob man Vor- und Nachwinter, Weihnachten und Ruska als eigene Jahreszeiten betrachten will. Ähnlich, wie die Nordamerikaner den farbenprächtigen Herbst „indian summer“ nennen, haben auch die Finnen dafür ein eigenes Wort: Ruska.

Ruska in Finnland
Es ist Ruska in Finnland.

Ruska, das ist die Zeit der Farbenexplosion. Eine kurze, aber beeindruckende Phase, wenn die Natur sich noch einmal ihren schönsten Mantel umhängt und verschwenderisch mit Farben um sich wirft.

Birke Ahorn Vogelbeerbaum

Ruska

Das Thermometer zeigt noch deutlich über null an, auch wenn sich morgens schon erste Nebelschwaden auf dem still da liegenden See zeigen.

Ruska
Ruska-Aika, Lapplands besonderes Naturschauspiel.

Ruska ist genau die richtige Zeit, um in den Wald zu gehen. Zum Beispiel in den Oulanka Nationalpark im Nordosten Finnlands. Hier schillern und schimmern die Blätter um die Wette, leuchtend gelb, orange und dunkelrot. Und die Blätter, die sich schon von ihren Ästen verabschiedet und zu Boden gesunken sind, rascheln leise unter den Füßen.

Blätterrascheln Blaubeerbusch Felsboden

Der Boden mit all den Moosen, Heiden und Blaubeerbüschen färbt sich in einen satten roten Teppich und die stillen Seen verdoppeln all die Farben des Herbstes zu einem wahren Farbenrausch.

Der Park ist 270 Quadratkilometer groß und grenzt im Osten direkt an Russland. Er entführt in eine längst vergangene Zeit, als die sich zurückziehenden Gletscher eine einzigartige Landschaft schufen. Die Vielfalt an Pflanzen ist ungewöhnlich: Farne, seltene Orchideen, Moose und Flechten überziehen die zurückgelassenen Findlinge.

Oulanjoki Oulanoki im Nordosten Finnlands Stromschnelle

Je näher man dem Fluss kommt, desto stärker spürt man den Herzschlag des Nationalparks: die Stromschnellen. Zwischen schmalen Felswänden aus Quarzit und Dolomit stürzt der sonst ruhige Oulanjoki 14 Meter tief, auf insgesamt 600 Metern Länge, rauscht durch die Schlucht und in den Ohren. Über die Zeit hinweg hat die Macht des Wassers die Felsen glatt geschliffen. Von den Klippen breitet sich ein großartiges Panorama über die gesamte Flusslandschaft aus.

Ein guter Platz für alle, die auf spektakuläre Selfies stehen.

Entspannung im Oulanka Nationalpark
Zeit zum Posieren im Oulanka Nationalpark

Der Oulanka Nationalpark ist aber nicht nur für seinen Wasserfall berühmt, sondern auch für seine Bärenrunde. Ein 82 Kilometer langer Waldweg, den man gut in einer Woche schaffen kann. Für Übernachtungen stehen kostenlose Wildmarkhütten bereit. Aber auch auf der kleinen Bärenrunde (12 Kilometer) bekommt man viel zu sehen, wandert über Hängebrücken, verschlungene Trampelpfade und Holzbohlen durch den geheimnisvollen und unberührt scheinenden Wald. Nur die Bären sieht man nicht, denn die sind selten und scheuen die Begegnung mit den Menschen.

Dafür kann man mit etwas Glück Rentiere entdecken und die unterschiedlichsten Vogelarten.
Rentier
Die Zugvögel machen sich langsam auf den Weg in Richtung Süden. In der Stille hört man den hundertfachen Flügelschlag von Schwänen oder Schwalben, wenn sie in Formationen schwarmartig über einen hinweg fliegen auf dem Weg in wärmere Winterquartiere in Afrika.

Unglückshäher werden 25 bis 31 cm groß
Unglückshäher sind in Mittel- und Nordskandinavien, sowie Finnland und Taiga zuhause. Die Standvögel werden 25 bis 31 cm groß.

Andere werden den ganzen Winter bleiben. Wie der Unglückshäher, der im Deutschen einen unglücklichen Namen hat. In Finnland hat er viel freundlichere Namen. Kuukkeli wird er dort genannt, was so viel wie Mondlein bedeutet. Auf samisch heißt er kuovso, was Morgenröte bedeutet. Passend zu seinem rostroten Federkleid, das der Flugakrobat vor allem in seinen künstlerischen Flugbewegungen zeigt. Er lebt in den nördlicheren Wäldern und gilt als Freund des Weidmanns.

Ein neugieriger und furchtloser Vogel, der sich gerne bei den offenen Feuerstellen aufhält, um den ein oder anderen Leckerbissen zu ergattern. Die legt er dann in den Bäumen als Vorrat für den nahenden Winter an. Unglückshäher sind übrigens ausgesprochen monogam. Paare bleiben ein Leben lang zusammen.

Unglückshäher
Unglückshäher mit Vorräten im Schnabel.

Für die Finnen, die die Köstlichkeiten der Natur zu schätzen wissen, beginnt damit auch der nächste Abschnitt der Waldernte. Nach den Blau- und den Preiselbeeren kommen nun die Pilze. Vielerorts schießen die Pfifferlinge und Steinpilze nur so aus dem Boden. Durch das Jedermannsrecht ist es Jedermann und Jederfrau erlaubt, die wild wachsenden Delikatessen zu sammeln, ja alles zu pflücken, was Herz und Mund begehren.

Die Moltebeere etwa, die nur in den nordischen Ländern wächst. Dem Aussehen nach wie orangefarbene Himbeeren, nur säuerlicher im Geschmack und voller Vitamin C.

Moltebeere
Die vitaminreiche Moltebeere ist ein Wahrzeichen Lapplands. (Foto Ilkka Koivula)

Herbst, Zeit des Übergangs

Den Herbst erkennt man allerspätestens daran, dass die Finnen ihre Boote aus dem Wasser holen und darüber nachdenken, ob sie die Skier schon hervorholen sollen. Es ist der Übergang in eine stillere Zeit. Gelegenheit, um einen Schritt zurückzutreten und zur inneren Ruhe zu finden.

Boote am Wasser Pferde am Wasser Lagerfeuer

Etwa mit gemütlichen Abenden zuhause. Wenn der Ofen das erste Mal angezündet wird und man sich behaglich unter eine Decke kuschelt, um im neuen Buch zu schmökern. Die Färbung der Herbstblätter verbirgt auch eine Botschaft. Ein melancholischer Abschiedsgruß an den kurzen, aber intensiven Sommer, als die Mitternachtssonne nicht unterging.

Wollgras Auf der Bärenrunde Farbenpracht

TEXT und FOTOS von Tarja Prüss

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