Opfer einer mittelalterlichen Schlacht?
Wales: 240 Skelette unter ehemaligem Kaufhaus in Haverfordwest gefunden
Eigentlich war es die Aufgabe des Dyfed Archaeological Trust, auf dem Gelände eines ehemaligen Kaufhauses im walisischen Haverfordwest nach den Überresten einer mittelalterlichen Abtei zu suchen. Eigentlich.
Fotos: Dyfed Archaeological Trust
Bekannt war im Vorfeld lediglich, dass sich irgendwo in diesem Bereich vor Jahrhunderten der klösterliche Komplex St. Saviour’s Priory befunden haben muss. Urkunden bestätigen dessen Gründung um 1250 herum durch einen Dominikanerorden. Wo genau? Bis dato Fehlanzeige.
Vor Monaten ergab sich dann nach Medienangaben urplötzlich eine Chance, als der Grafschaftsrat von Pembrokeshire das Gelände erwarb. Und zwar mit dem Ziel, das alte Kaufhaus mit Namen Ocky Whites abzureißen und es durch eine moderne Lebensmittelhalle zu ersetzen.
Eine Chance war es deshalb, weil es den Archäologen des Trusts die Möglichkeit bot, im Rahmen der Bauarbeiten in die Tiefe zu gehen und herauszufinden, ob es sich hier tatsächlich um den Standort des verschollenen Klosters handelte.
Gefunden wurden dann im Verlaufe dieses Jahres immer mehr Mauerreste, die inzwischen klar St. Saviour’s zugeordnet werden konnten. Gefunden wurde aber noch weitaus mehr: mindestens 240 Skelette nämlich, die auf einem wohl seit dem Jahr 1200 genutzten Gräberfeld bestattet waren.
Opfer eines Krieges gegen den walisischen Freiheitskämpfer Owain Glyndŵr?
Eine „äußerst bedeutende“ Entdeckung, wie Projektleiter Andrew Shobbrook vor wenigen Tagen gegenüber der BBC mitgeteilt hat. Man habe es hier mit einem „Fenster ins mittelalterliche Haverfordwest“ zu tun. Einem Ort, der bislang auf der archäologischen Landkarte nicht wirklich auftauchte.
In der Beschreibung des Trusts wird die Abtei zunächst als ein bedeutender Gebäudekomplex mit großen Schlaf- und Schreibsälen beschreiben. Angebunden war den Untersuchungen zufolge ein Hospital, umgeben von Stallungen und eben jenem Gräberfeld.
„Es war eigentlich ein ziemlich prestigeträchtiger Ort, um begraben zu werden“, folgert Shobbrook. Umso überraschender sei es gewesen, an Ort und Stelle Skelette von Menschen aus allen sozialen Schichten gefunden zu haben. „Wohlhabende und einfache Bürger“ nebeneinander, sagt Shobbrook.
Hinzu kommt, dass etwa die Hälfte der sterblichen Überreste von Kindern stammt, was auf eine Phase mit einer hohen Sterblichkeitsrate schließen lässt. Jedoch gibt es Anzeichen, dass nicht etwa eine Seuche der Grund dafür war, sondern sehr wahrscheinlich eine mittelalterliche Schlacht. Ein Krieg.
Denn: Die Archäologen konnten an einigen der Skelette eindeutige Kampfspuren feststellen. Kopfverletzungen vor allem, die nur durch Musketen- oder Pfeilbeschuss zu erklären sind, wofür es nach Einschätzung des Trusts eine recht plausible Theorie gibt.
So ist den Urkunden der Stadt zu entnehmen, dass das heutige Haverfordwest vor Jahrhunderten ins Kreuzfeuer eines Krieges gekommen ist, bei dem walisische Truppen des Freiheitskämpfers Owain Glyndŵr, unterstützt von französischen Einheiten, gegen englische Besatzer ins Feld zogen.
„Wir wissen, dass die Stadt 1405 von Owain Glyndŵr belagert wurde. Daher könnten es die Skelette von Opfern dieses Konflikts sein“, mutmaßt Shobbrook. Alle Knochen würden derzeit fachmännisch analysiert und anschließend in der Nähe erneut bestattet.
Aus archäologischer Sicht könne es „manchmal überwältigend sein, aber auch ziemlich deprimierend“, bei Ausgrabungen „ein Teil der Reise dieser Personen zu werden“, teilte eine ebenfalls an den Untersuchungen beteiligte Archäologin mit.
Hintergrund: Owain Glyndŵr, geboren um 1350 und verstorben um 1416, war der letzte eingeborene Waliser, der den Titel „Prince of Wales“ trug. 1400 begann er einen blutigen Aufstand gegen die englische Vorherrschaft in seiner Heimat. Er gilt als walisischer Nationalheld.
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