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Von Tropensturm vom Kurs abgebracht

Irland: Baby-Schildkröte überlebt wie durch ein Wunder 6500-km-Irrweg über den Atlantik

Eine Wahnsinnsgeschichte aus der Washington Post: Anfang Februar ging eine irische Familie am Strand spazieren, als sie eine an die Felsen gespülte Baby-Schildkröte fand. Sie soll augenscheinlich in keinem guten Zustand gewesen sein. Verletzt, mehr tot als lebendig.

Schildkröte Cróga Irland
Schildkröte Cróga war nach ihrer langen Reise zunächst in der Obhut des Oceanworld Aquarium Dingle. (Foto: Oceanworld Aquarium Dingle)

Glücklicherweise gelang es der Familie, die im Eilverfahren Cróga (zu Deutsch: tapfer) getaufte Schildkröte zunächst in die Obhut eines Aquariums in der Grafschaft Mayo zu übergeben.

Später ging es dann weiter zu einer Pflegestation am anderen Ende der Insel. Es wird berichtet, dass ein Mitarbeiter nach dem Hilferuf aus Mayo einen halben Tag hin und her fuhr, um Cróga abzuholen.

Bei einer Untersuchung zeigte sich dann, in welche schlechtem Zustand die kleine Schildkröte war. Neben ihren Verletzungen war sie vor allem dehydriert, stark untergewichtig und litt an einer Unterkühlung, die sie sprichwörtlich fast gelähmt hätte.

Wie aber kam es dazu, dass sich Cróga auf den Irrweg über den Atlantik begeben hat, der normalerweise aus einem ganzen Sack voll Gründen ihr sicheres Ende bedeutet hätte?

Unechte Karettschildkröte, wohl geschlüpft an den Stränden Floridas

Dazu muss man wissen, dass Cróga eine sogenannte Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta) ist, die wahrscheinlich letzten Sommer irgendwo an den Stränden Floridas geschlüpft und danach ins Meer gekrabbelt ist.

Für gewöhnlich lassen die Schildkröten sich dann ein wenig vom warmen Wasser des Golfstroms treiben und nisten sich auf schwimmendem Sargassum (Golftange) ein, großen Flächen aus braunen Algen, die auch kleinen Fischen, Garnelen und Krebsen als Lebensraum dienen.

Im Schutz des Sargassums können sie wachsen und stark werden, bevor sie sich dann nicht selten auf den langen Weg „rüber“ zu den Kanarischen Inseln vor der Küste Afrikas machen. Als sozusagen geplante Atlantiküberquerung.

Im Falle von Cróga dürfte es aber anders gelaufen sein. Denn die Vermutung liegt nahe, dass sie durch einen tropischen Sturm von ihrem natürlichen Kurs abgebracht und weit nach Norden in den offenen Ozean getrieben wurde – mit all seinen Gefahren.

Unterernährung und Dehydration sind auf dem 6500 Kilometer langen Irrweg nach Nordeuropa, wohin der Golfstrom ja führt, tatsächlich nur ein Teil der tödlichen Bedrohungen.

Hinzu kommen Raubtiere, die auf wehrlose Mini-Schildkröten stehen, und Plastikmüll, den viele Jungtiere fälschlicherweise für Nahrung halten und daran verenden. Vor allem aber treffen die Schildkröten auf diesem Weg über den Atlantik auf vergleichsweise kalte Wassertemperaturen, die dem Organismus von Reptilien alles andere als zuträglich sind.

Das heißt: Durch den wochenlangen Kontakt mit Kaltwasser senkt sich die Körpertemperatur der Schildkröten empfindlich ab. Es kommt regelrecht zum Kälteschock, der die ohnehin geschwächten Tiere nicht nur zusätzlich entkräftet, sondern auch lethargisch macht.

Cróga muss im Kälteschock wochenlang hilflos über den Atlantik getrieben sein

In der Konsequenz treiben die Schildkröten hilflos über die See, sind den Launen des Windes und der Wasserströmung ausgeliefert. Laut der Pflegestation, in der sich Cróga nun befindet, werden solche Schildkröten schon seit Jahren vermehrt an Irlands Küsten angeschwemmt.

(YouTube-Video des Oceanworld Aquarium Dingle zur Überführung einer gesund gepflegten Schildkröte in die natürliche Umgebung)

„In den seltensten Fällen leben sie noch, weil sie zu diesem Zeitpunkt bereits Monate auf See verbracht haben und nicht in der Lage waren, für sich selbst zu sorgen“, teilte ein Sprecher der Einrichtung mit.

Bei Cróga ist es zum Glück anders gekommen. Sie hat die Passage über den Ozean wie durch ein Wunder überlebt und wird nun nach allen Regeln der Kunst aufgepäppelt. Los ging es mit der Injektion von Kochsalzlösung in die Flosse, um die Schildkröte allmählich zu rehydrieren.

Zudem musste die Körpertemperatur des Weibchens über mehrere Tage hinweg behutsam erhöht werden, um zu verhindern, dass sie wieder in einen Schockzustand verfällt. Und auch die verletzen Stellen an ihrem Körper wurden behandelt, das volle Programm.

Hinzu kommt: In Crógas Alter wiegen Karettschildkröten normalerweise 45 bis 90 Pfund. Sie selbst wog aber nur ein Pfund, als sie an Land gespült wurde, weshalb klar ist, dass begleitend zu allen Pflegemaßnahmen vor allem eine professionelle Fütterung wichtig war und ist.

„Sie ist zum Glück ziemlich gefräßig“, heißt es bei der Pflegestation. Seit dem Auffinden von Cróga habe sie etwa 1,7 Pfund zugenommen und damit ihr Körpergewicht fast verdreifacht. „Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass sie sich nicht vollständig erholen kann“, ist man dort sehr optimistisch.

Und wie geht es dann weiter für Cróga? Ein Leben im Aquarium kann nach solch einem Ritt ja keine gerechte Option sein. Daher: Normalerweise wird die Schildkröte noch etliche Monate brauchen, um in der Pflegestation auf das Leben da draußen vorbereitet zu werden.

Läuft alles nach Plan, wird der irische Marinedienst das Tier irgendwann in die wärmeren Gewässer der Kanarischen Inseln bringen und dort aussetzen. Sie ist dann bei den Artgenossen, die nicht den gefährlichen Umweg über Nordeuropa genommen haben. Hier der Artikel der Washington Post im Original.

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