Minus um 30 % nach oben korrigiert
Island: Papageientaucher-Population nimmt weit schneller ab als bislang angenommen
Die isländische Papageientaucherpopulation ist nach neuesten Berechnungen in den letzten dreißig Jahren um 70 Prozent geschrumpft. Bislang gingen Forscher von einem Minus von 40 Prozent aus, das für sich gesehen bereits mehr als besorgniserregend gewesen wäre.
Der Geschäftsführer des isländischen Verbandes der Reiseindustrie (SAF), Jóhannes Þór Skúlason, hat erklärt, dass dies nicht nur eine schlechte Nachricht für das Ökosystem der Atlantikinsel sei, sondern auch für seine Reisebranche.
Wie das, fragt man sich: Der Grund ist, dass man den Papageientaucher in Island – zumindest regional – als eine Art nationales Symbol und somit Zugpferd des Tourismus vermarktet hat. Da passen dann derart sinkende Zahlen nicht ins Konzept.
Trotz des starken Rückgangs beherbergt Island Schätzungen zufolge weiterhin einen bedeutenden Teil der weltweiten Papageientaucher. Rund 20 Prozent der globalen Population sollen jedes Jahr auf den Westmännerinseln (Vestmannaeyjar) ganz im Süden Islands zu Gast sein, um zu nisten.
Biologe Erpur Snær Hansen zu den neuesten Daten: „Wir hatten die Populationstrends aus einem so frühen Zeitraum noch nie analysiert. Es war schockierend festzustellen, dass der Rückgang viel stärker ausfiel als bisher angenommen.“
Wenn Tourismus-Marketing und Ornithologie ein Ziel haben, muss es wirklich ernst sein
Während Papageientaucherpopulationen im Laufe der Zeit natürlichen Schwankungen unterliegen, enthüllten die jüngsten Messungen ein nie dagewesenes Muster. „Dieser jüngste Rückgang scheint mit Blick auf die 140-jährige Geschichte, die wir untersucht haben, beispiellos zu sein“, so Hansen.
Als Hauptursache für den Rückgang wird eine Nahrungsverknappung angesehen, die wiederum aus den steigenden Meerestemperaturen zu resultieren scheint. Darüber hinaus soll laut Iceland Review die Jagd auf Papageientaucher für mindestens 10 Prozent des Rückgangs verantwortlich sein.
Hansen dazu: „Ich kann in der Jagd auf schrumpfende Populationen generell keine gute Philosophie erkennen.“ Was also tun? Jagdverbot? „Jedenfalls erscheint mir diese Form der Jagd, die an den Landbesitz gebunden ist, als eine seltsame Ausnahme vom gesunden Menschenverstand“, so der Experte.
Skúlasons Sorgen sind dagegen anders gelagert, wie er in einem Interview beschreibt: „Der Papageientaucher ist ein unglaublich schöner und einzigartiger Vogel. Wenn Menschen Island besuchen, ist es ein besonderes Erlebnis, die Nistplätze z.B. auf den Westmännerinseln zu sehen.“
Laut Skúlason „wäre es wirklich bedauerlich, wenn sich die Population nicht erholen würde“. Ein bisschen weniger Marketing-Selbstzweck wäre zwar wünschenswert, in der Sache sind sich Tourismus und Wissenschaft aber einig: Bitte alles tun, was geht, um den Papageientaucher (besser) zu schützen.
Hintergrund: In früheren Zeiten waren auch die isländischen Küstengemeinden darauf angewiesen, alle natürlichen Ressourcen zum Überleben nutzen. Dazu gehörte unter anderem der Verzehr des Papageientauchers, der heute zwar nicht in Masse, aber als Delikatesse dazugehört bzw. angeboten wird.
Das ist ein sehr deprimierender Bericht. Während mehrerer Reise konnte ich viele Nistplätze auf Island kennenlernen.
Wenn diese Vögel jedoch immer noch auf der Speisekarte angeboten werden, wird mir schlecht.
Angesprochen auf diesen traurigen Umstand, habe ich nur ein müdes Schulterzucken als Antwort bekommen.