Buchbesprechung: Nordlicht, Elch und Tannengrün
Die schönsten Weihnachtsgeschichten aus Skandinavien
Weihnachtsduselig griff ich vor zwei Wochen ins Bücherregal eines mittelmäßigen Kaufhauses. Allein das Wort „Skandinavien“ auf dem kitschig gestalteten Umschlag hatte für mich den Ausschlag gegeben, das Buch zu kaufen. Zuhause verlangte der Kamin, dass man ihn anzündet und ihm etwas vorliest. Bislang hatte ich es nur versprochen, jedoch nichts dafür getan.
Der Untertitel des Buches „Die schönsten Weihnachtsgeschichten aus Skandinavien“ klingt nach heiler Welt, Nordlicht, Elch und Tannengrün. Die Aufmachung und Preis tun ein Übriges dazu, um das Buch zu unterschätzen. Ich möchte vorwegnehmen, dass ich mir nach der ersten Geschichte einen Gin und Tonic gemixt habe. Die Stimmung des Buches machte diese Maßnahme erforderlich, das Feuer im Kamin knackte zustimmend.
Von alten Geschichten von Wichteln und Milchreis mit Extraklecks Butter bis zum abgewrackten Nachbarn, der nach Fusel stinkend sich als Weihnachtsmann verkleidet, um dem vaterlosen Jungen im Haus Weihnachten vorzugaukeln, und anschließend seiner Mutter einen Extraklecks körperlicher Liebe zukommen lässt.
Frau Gabriele Haefs, eine Herausgeberin des Buches, hat Recht, wenn sie im Vorwort sagt, dass die nordischen Länder von Deutschland aus wie das Weihnachtsparadies schlechthin wirkten: Weiße Weihnacht, Punsch und Wichtel, Polarkreis und das Weihnachtsmanndorfpostamt. Doch ist da noch die dunkle Seite der Nacht. Diese Spannung zwischen skandinavisch-heiler Welt und all den Gründen dafür, warum dort oben der Verkauf von Hochprozentigem staatlich repressiert wird.
Die harmlose Aufmachung des Buches wird von seinem Inhalt pulverisiert. Die Autoren, die zu dem Buch beisteuern, kommen nicht nur aus fünf Ländern mit dem rechtsliegenden Philippuskreuz, von den Färöern bis Finnland, sondern auch aus verschiedenen Epochen. Im Übrigen haben sie nichts mit einander gemein.
Von Hans Christian Andersen, Jahrgang 1805, über Peter Christen Asbjørnsen, dem norwegischen Jacob Grimm, über Selma Lagerlöf und Haldór Laxness bis Henning Mankell und Maria Parr, Jahrgang 1981. Die großen Namen der skandinavischen Literatur sind vertreten. Sie wären nicht groß, wenn sie nicht auch eine meisterlich komponierte Weihnachtskurzgeschichte in ihrem Repertoire hätten.
Kitschig und großmundig spricht der Buchumschlag von den „schönsten Weihnachtsgeschichten aus Skandinavien“. Normalerweise sind diese Art von Verprechen Grund genug für mich, ein Buch nicht zu kaufen. Bei diesem Buch machte ich, sentimental geschwächt, eine Ausnahme. Ich war noch nie so froh, ein Buch nicht nach seinem Umschlag beurteilt zu haben.
„Nordlicht, Elch und Tannengrün:
Die schönsten Weihnachtsgeschichten aus Skandinavien“*
Herausgegeben von von Gabriele Haefs und Andreas Brunstermann
2. November 2017
Taschenbuch, 320 Seiten
Preis: 9,99 €
Knaur TB Verlag
ap
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