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„Konsistenz von Butter“

Norwegen: Ist das Gjellestad-Wikingerschiff noch zu retten?

Schlechte Nachrichten von einem der größten norwegischen Funde aus der Wikingerzeit: Die Überreste des sogenannten Gjellestad-Schiffs, die nach der Ausgrabung 2021 zugedeckt wurden, sind neuen Untersuchungen zufolge massiv zersetzt.


Bilder 1 bis 3: Impressionen von der Ausgrabung des Gjellestad-Wikingerschiffs (Museum of Cultural History / University of Oslo)

Und zwar so sehr, dass Experten den unwiederbringlichen Verlust fürchten. „Die Überreste ähneln bereits der Konsistenz von Butter. Kann das Schiff nicht entfernt und konserviert werden, wird es bald nur noch eine erkennbare Form im Boden geben“, beschreibt Sigrid Mannsåker Gundersen.

Die Archäologin stieß vor fast sieben Jahren auf dem Hof Gjellestad bei Untersuchungen mit dem Bodenradar auf das Wikingerschiff – eine weltweite Sensation. Als Forscher dann vor einem Pilzbefall auf den Resten des Schiffes warnten, mussten eilig Mittel für die Ausgrabung bereitgestellt werden.

Die Ausgrabung wurde mit der Absicht geplant, die Überreste zu konservieren und in einem Besucherzentrum auszustellen. Nach Bekanntwerden der Pilzgefahr bedeckte man den Abdruck des Schiffes mit perforiertem Kunststoff und Fasertuch, das anschließend mit Sand aufgefüllt wurde.

Seither tickt die Uhr für die Überreste des Gjellestad-Schiffs. „Ich habe geschätzt, dass wir nach der Ausgrabung höchstens zehn Jahre Zeit haben, um etwas davon zu erhalten“, sagte Christian Løchsen Rødsrud nach der Ausgrabung, die er leitete.

“Inzwischen wissen wir mit Sicherheit, dass es mit jedem Jahr schlimmer wird“

„Dieser Zeitraum war allerdings nur eine Schätzung. Inzwischen wissen wir mit Sicherheit, dass es mit jedem Jahr schlimmer wird“, sagt er heute. Ihm zufolge muss sofort gehandelt werden, wenn es von dem Wikingerschiff in naher Zukunft noch etwas zu sehen geben soll.

„Es wäre ziemlich dramatisch, es einfach liegen und verfallen zu lassen“, lautet sein Appell. Doch was tun? Zunächst müsse eine Schutzstruktur um den Abdruck des Schiffes errichtet werden, erklärt Gundersen, die die Region Fylke Østfold archäologisch berät.

Außerdem müsse der Boden unter dem Schiffsabdruck ausgehoben werden, um einen Keller zu schaffen. Denn nur so sei es laut Gundersen möglich, das Klima und die Temperatur rund um den Abdruck in Zukunft zu kontrollieren.

Norwegen Gjellestad
Der ungefähre Fundort des Gjellestad-Wikingerschiffs im Süden Norwegens. (Eigene Darstellung / NordNordWest / CC BY-SA 3.0 DE)

Die Datierung des Schiffs ist noch unsicher, aber man schätzt es auf 780 bis 830 nach Christus, also auf die frühe Wikingerzeit. „Priorität hat, die Spuren zu sichern, damit wir auch in Zukunft noch etwas ausstellen können. Wir tragen die Verantwortung im Namen der Nation“, sagt Gundersen.

Doch allein die Kosten für die Schutzkonstruktion sind beträchtlich, und die Unterbringung eines Besucherzentrums wird noch teurer sein. „Das wird mehr kosten, als wir lokal und regional bewältigen können“, befürchtet sie.

“Es geht um die Bewahrung unseres kulturellen Erbes“

Immerhin: Bei einer UNESCO-Arbeitsgruppe für kulturelles Erbe hat man die Bedeutung der der Überreste des Gjellestad-Schiffs erkannt und will sich in einem angemessenen Rahmen an den hoffentlich bald anstehenden Konservierungsarbeiten beteiligen.

Laut Science Norweay besuchten Archäologen vor wenigen Tagen zusammen mit Lokalpolitikern das norwegische Parlament, um dort über die dringende Notwendigkeit zu informieren, die Überreste des Gjellestad-Schiffs zu erhalten.

„Ich verstehe, dass es aufgrund unserer wirtschaftlichen Lage schwierig ist, Mittel zu beantragen, aber hier geht es nicht nur um Geld. Es geht um die Bewahrung unseres kulturellen Erbes“, sagte Rødsrud nach dem Termin im Parlament.

Und weiter: „Wir müssen zumindest sicherstellen, dass die Politiker eine fundierte Entscheidung treffen können. Wenn Norwegen sich dafür entscheidet, der Ausgrabung keine Priorität einzuräumen, sollte man sich zumindest darüber im Klaren sein, was uns verlorengeht.“

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