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Altes Hafengebiet Bjørvikai

Rätselhafter Wrackfund aus 11. Jh. im Untergrund von Oslo

Das neu gestaltete Viertel Bjørvikai hat sich zu einem beliebten Treffpunkt für Einheimische und Besucher der norwegischen Hauptstadt Oslo gemausert. Auch rein optisch hat sich gewaltig was getan im Osten des Zentrums.

Wrackfund Oslo 1
Unter einem Hafenfundament aus dem 14. Jahrhundert fanden NIKU-Archäologen das rätselhafte Schiffsteil – im Bild eingekreist. (Darstellung: Cornelia Eilertsen / NIKU)

Nach aufwendigen Baumaßnahmen wurde ein Teil des Straßenverkehrs in den Untergrund verlegt. Der Blick auf das Meer wurde geöffnet. Und es wurde Platz geschaffen für moderne Bauten, die praktisch aus dem Fjord geschossen sind.

Doch bei aller Modernität ist und bleibt Bjørvika auch das Areal, das vom Ende der Wikingerzeit über das Mittelalter bis vor etwa 400 Jahren der historische Hafen von Oslo war. Dazu passt, dass der Untergrund der ehemaligen Anleger eine wahre Fundgrube für alte Wracks ist.

Viele davon, die Archäologen zuletzt identifizieren konnten, sind rund 10 bis 12 Meter lange Handelsschiffe, die einst die Nordsee überquerten und ihre Waren entlang der zerklüfteten Küste Norwegens transportierten. Bjørvika ist für Forscher ein hoch spannender Ort geworden.

Nun haben Archäologen des Norwegischen Instituts für Kulturerbe-Forschung (NIKU) ein weiteres Gebiet des Osloer Stadtteils untersucht. Dabei gelangen erneut zahlreiche Ortungen, über deren Bedeutung anstehende Analysen entscheiden werden.

„Einige Wracks sind neueren Datums. Es gibt aber auch eine Handvoll aus dem 15. und 14. Jahrhundert – und eines aus dem 13. Jahrhundert“, teilte NIKU-Archäologe Håvard Hegdal dieser Tage in einer Stellungnahme mit.

Das Schiffsteil wird auf die Zeit kurz nach Oslos Gründung durch Harald Hardrada datiert

Vor allem aber ging den Archäologen noch ein überraschend gut gearbeitetes Schiffsteil ins Netz, das aus dem Schlick im innersten Teil des Oslofjords geborgen wurde. Håvard Hegdal fiel gleich auf, dass etwas daran völlig anders war.

„Dieses Stück Holz ist fantastisch gut geformt“, sagt er. „Gleichzeitig stellten wir fest, dass sich die Form dieses Teils deutlich von allen anderen Funden in der unmittelbaren Umgebung unterschied.“

Gefunden wurde das Schiffsteil unter einem Kai, den die Archäologen auf das Jahr 1300 nach Christus datiert haben. Daher war es zunächst naheliegend anzunehmen, das Holz könne in etwa genauso alt sein.

Wrackfund Oslo 2
Das Wrackteil in einer 3D-Darstellung. (Abbildung: Cornelia Eilertsen / NIKU)

Aber weit gefehlt: Das Schiffsteil wird auf die Zeit kurz nach der Gründung der Stadt Oslo durch Harald Hardrada – Norwegens letztem Wikingerkönig – datiert. Damit ist es viel älter, als die Archäologen annahmen. Konkret aus dem späten 11. Jahrhundert, nahe der Wikingerzeit.

„Wir waren wirklich überrascht, als die Datierung am 27. Juni zurückkam. Sie ergab, dass der Baum im Jahr 1035 gepflanzt wurde. Gefällt wurde er dann irgendwann zwischen 1087 und 1100, was in etwa dem Baujahr des Schiffes entsprechen dürfte“, sagt Håvard Hegdal.

„Das Teil ist also 200 Jahre älter als der darüber liegende Kai. Und das ist ein großes Rätsel. Denn wenn die Datierung stimmt, sind wir genau am Ende der Wikingerzeit“, fuhr der Forscher fort.

Welcher vermutlich hochgestellte Personenkreis war einst mit dem Schiff unterwegs?

Ende des 11. Jahrhunderts, als das Schiff gesunken ist, war Oslo noch eine kleine Stadt. Aber sie hatte bereits begonnen, sich zu einem Handelszentrum aufzuschwingen. Wahrscheinlich war Oslo auch schon in der Wikingerzeit besiedelt, bevor Harald Hardrada sie offiziell gründete.

„Die Schiffsteile, die wir gefunden haben, haben allerdings eine ästhetische Qualität, die wir bei den eher grob behauenen Teilen von Fracht- und Arbeitsschiffen aus dem Mittelalter nicht finden“, erklärt Håvard Hegdal gegenüber Science Norway.

„Bei älteren Schiffen kommt es manchmal vor, dass die Planken des Rumpfes außen mit gehobelten Linien verziert sind. Aber dieses Schiffsteil hat auf allen Seiten Verzierungen. Selbst dort, wo sie kaum sichtbar waren“, sagt er.

Das wirft die Frage auf, welcher vermutlich hochgestellte Personenkreis einst mit dem Schiff unterwegs war. Hegdal betont, dass das Schiffsteil aus Bjørvika nicht mit Wikingerschiffen wie dem Gokstad-Fund aus der Zeit um 890 verglichen werden könne.

„Es zeigt sowohl fortschrittliche maritime Technologie als auch exquisite Ästhetik“, schildert er die ersten Untersuchungsergebnisse. Man darf also gespannt sein, was die Archäologen hierzu noch herausfinden werden. Erhofft werden neue Erkenntnisse über die Gründungsjahre Oslos.

Und überhaupt: Der Lehm im innersten Teil des Oslofjords bot scheinbar beste Bedingungen für die Konservierung von Holz. Alle Wrackteile sind in der Folge so gut erhalten, dass sie optisch weit jüngeren Datums sein könnten. Bjørvika scheint eine archäologische Fundgrube sondergleichen zu sein.

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