Lüftungsporen öffnen und schließen sich von selbst
Atmungsaktive Gebäude – Innovation aus Finnland erhält Millionenförderung
Es klingt wie Science-Fiction, aber es sei durchaus möglich, eine Fassade aus intelligentem Dämmstoff zu entwickeln. Das Projekt der Aalto-Universität erhält eine Millionenförderung für die Entwicklung von atmungsaktiven Holzschaumgebäuden. – Ein Schaumstoff, der zu 90 % aus Luft besteht, jedoch so fest ist wie herkömmliche Baumaterialien wie Beton und Glas.
Es geht um Fassadenelemente aus Holzschaum, die im 4D-Druckverfahren hergestellt werden – diese können erheblich Energie zum Heizen und Kühlen einsparen und den CO2-Fußabdruck des Gebäudes verkleinern. Eine Lösung, die von Gaudis Architektur inspiriert wurde.
Im Rahmen des Projekts entwickeln die finnischen Forscher ein Fassadenelement aus Holzschaum, das ein passives Heizen und Kühlen von Gebäuden ermöglicht und so erhebliche Mengen an Energie einspart. Außerdem wollen sie die klimaschädlichen Emissionen aus dem Bauwesen verringern, die gegenwärtig 40 % aller weltweiten Emissionen ausmachen.
Das von der Aalto-Universität geleitete Projekt Archibiofoam hat vom Europäischen Innovationsrat ein sog. Pathfinder-Stipendium in Höhe von 3,4 Millionen Euro für drei Jahre erhalten.
Passives Kühlen und Heizen mit Bioschaumstoffen
Passives Kühlen und Heizen entsteht, wenn sich ein aus Holzzellulose hergestellter Schaumstoff mit der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit zusammenzieht und ausdehnt. Dadurch schließen und öffnen sich die porenartigen Luftschlitze in der Fassade. Damit verringert sich der Heizbedarf bei kaltem Wetter und der Kühlbedarf bei heißem Wetter.
„Es klingt wie Science-Fiction, dass sich Lüftungskanäle auf natürliche Weise öffnen und schließen, aber es ist durchaus möglich – und sehr aufregend“, sagt Juha Koivisto, ein Forscher an der Aalto-Universität, der sich von Gaudis berühmter Architektur in Barcelona inspirieren ließ.
Obwohl der Schaumstoff zu 90 % aus Luft besteht, ist seine Festigkeit vergleichbar mit der von herkömmlichen Baumaterialien wie Beton und Glas, die die Umwelt stärker belasten. Außerdem ist er erneuerbar, biologisch abbaubar und recycelbar.
„Die Wissenschaft weiß schon seit einiger Zeit, dass die strukturelle Haltbarkeit von Bioschaumstoffen mit anderen Baumaterialien konkurrieren kann, aber bisher wurde dies noch nicht richtig getestet“, sagt Koivisto.
Algorithmen, Software und Robotersteuerung
Zum Team von Koivisto gehören auch die Dozentin Kirsi Peltonen und der Postdoktorand Taneli Luotoniemi vom Fachbereich Mathematik und Systemanalyse der Aalto-Universität. Nach Ansicht der Forscher ist die Mathematik voll von geometrischen Strukturen, dynamischen Systemen und Mechanismen, deren Anwendungsmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft wurden.
„Ventile und bewegliche Teile erfordern beispielsweise Gelenke und flexible Strukturen, die auf eine Art und Weise implementiert werden können, wie sie aus dem Origami bekannt ist“, sagt Koivisto.
Das Aalto-Team koordiniert das Projekt und ist für die Materialtechnologie verantwortlich. Tiffany Cheng von der Universität Stuttgart ist für die Robotik und die Einstellung des massiven 4D-Druckers zuständig, mit dem der Nassschaumstoff extrudiert wird.
4D-Druck ist ein Herstellungsverfahren, bei dem gedruckte Objekte so programmiert werden, dass sie automatisch auf Reize in der Umgebung reagieren. Ähnlich wie 3D-Druck, nur mit der vierten Dimension Zeit, oder in diesem Fall, die Jahreszeit.
Die robotergesteuerte Plattform kann Teile von bis zu 12 Metern Länge und 420 Kilogramm Gewicht herstellen.
„Das Verfahren ist sehr gut geeignet, um Strukturen mit hoher Auflösung zu drucken. Unser Ziel ist es, den Herstellungsprozess von Holzschaum so zu gestalten, dass er den zahlreichen funktionalen Anforderungen von Bauelementen gerecht wird, wie z. B. Tragfähigkeit und adaptive Belüftung“, sagt Cheng.
Professor Stefano Zapperi von der Universität Mailand ist Experte für die automatisierte Erstellung von digitalen 3D-Modellen. Sein Team ist in der Lage, mithilfe von Software die Entwurfsparameter von Algorithmen zu definieren, z. B. die Wärme- und Feuchtigkeitsempfindlichkeit.
Der Industriepartner des Projekts ist Woamy, ein aus Aalto hervorgegangenes Unternehmen, das sein Geschäft auf der Bioschaumtechnologie aufgebaut hat. Ziel ist es, bis 2027 eine Pilotanlage in Betrieb zu nehmen.
„Unser Ziel ist es zu zeigen, wie Bioschaum nicht nur die Verpackungsindustrie, sondern auch die Bauindustrie verändern kann“, sagt Susanna Partanen, Geschäftsführerin von Woamy.