Koprolithen unter der Lupe
Innovative Fäkalien-Forschung: Wenn Kot zur 250 Mio. Jahre alten Zeitkapsel wird
Forscher auf Spitzbergen haben Tausende von Klumpen gefunden, bei denen es sich nach ersten Untersuchungen um ur-uralte Fäkalien handelt. Die Hinterlassenschaften könnten zeigen, was prähistorische Tiere in der Region gefressen haben – vor 250 Millonen Jahren.
Unter der Leitung von Aubrey Roberts wird am Naturhistorischen Museum in Oslo gerade ein Projekt durchgeführt, das der Sache auf den Grund gehen soll. Dabei landen alle Formen von Koprolithen – also versteinerten Formen von Kot – unter dem Mikroskop.
Mal sind die „Steine“ klein und dunkel, mit glatt mit fast polierten Oberflächen. Einige sind nur Fragmente, wie gebogene Schuppen oder runde Scheiben. Andere wiederum sind ganze, längliche Wurstformen, die an ihren Enden spitz zulaufen.
„Wir waren uns anfangs nicht sicher, ob es sich um Phosphatknollen handeln könnte. Aber dann haben wir ein paar davon in den CT-Scanner geladen und gesehen, dass es sich definitiv um Koprolithen handelt“, teilte Roberts mit.
Die Wissenschaftler wählten danach gezielt 26 Exemplare aus, um sie im CT-Scanner des Naturkundemuseums genauer zu untersuchen. Anhand der Bilder konnten sie einige der Knochenfragmente in den versteinerten Fäkalien zweifelsfrei identifizieren.
„Wir haben Knochenreste von Ichthyosauriern und Fischen gefunden. Außerdem wurden ganze Fischschuppen und ein Haifischzahn entdeckt“, schildert eine Mitarbeiterin. Hinzu kamen Muscheln und Tentakeln von Weichtieren.
Ohne „Spezialumgebung“ hätte von den Weichtieren jede Spur gefehlt
Das Besondere: In der betreffenden Ausgrabungsschicht auf Spitzbergen wurden keine weiteren derartigen Weichtierfunde gemacht. Sie sind lediglich in den Koprolithen erhalten geblieben. Das macht die Fäkalien zu kleinen Zeitkapseln, die bisher unbekannte Informationen enthalten.
Die Weichtiere, die vor 250 Millionen Jahren lebten, waren klein und zersetzten sich leicht. Die winzigen harten Teile der Tiere wurden wahrscheinlich schnell verstreut und zerstört. Damit hätte ohne „Spezialumgebung“ jede Spur von ihnen gefehlt.
Im Inneren des Kots waren sie jedoch besser geschützt. Ein Teil des Kots sank schnell ab und wurde im tonigen Meeresboden vergraben, der zu dieser Zeit vorhanden war. Die Bedingungen dort waren offensichtlich bestens für den Erhalt der tierischen Materie.
Die Fäkalien lagern derzeit relativ schlicht in einer Schublade des Museums. „Im Grunde ist es unsere Aufgabe herauszufinden, wer hier was vor Millionen von Jahren gekackt hat“, beschreibt Roberts leicht augenzwinkernd ihren Forschungsauftrag.
Das gesamte Projekt begann damit, die großen Mengen an Koprolithen zu sichten und nach ihrer Form zu sortieren. Denn schon die Formen können Hinweise darauf geben, wer einst den Kot produziert hat.
„Wir wissen, dass Haie Kot produziert haben, der so aussah“
„Es gibt bestimmte Merkmale, nach denen man suchen kann“, beschreibt Roberts. Einige der Koprolithen haben beispielsweise eine leichte Spiralform. „Wir wissen, dass Haie Kot produziert haben, der so aussah“, sagt die Forscherin.
Diese äußeren Merkmale können mit dem Inhalt kombiniert werden, der in CT-Bildern sichtbar wird. Einige der Koprolithen sind voll mit großen Knochenfragmenten, während andere fast keine Knochen enthalten. Das zeigt den Forschern nicht nur was, sondern auch wie es gefressen wurde.
„Die Koprolithen, von denen wir glauben, dass sie von Ichthyosauriern stammen, haben ziemlich große und ganze Knochenfragmente“, sagt Roberts. Dies könnte darauf hinweisen, dass die Ichthyosaurier große Brocken ihrer Beute verschluckt bzw. verschlungen haben.
In manchen Fällen sind hingegen fast keine Knochen mehr vorhanden, was auf ein Tier mit einem sehr effizienten Verdauungssystem hindeuten kann. Das sieht man zum Beispiel bei lebenden Krokodilen. Sie verdauen Knochen und alles andere. Man findet fast nichts Unversehrtes in dem, was sie ausscheiden.
„Es gibt nur sehr wenige Menschen auf der Welt, die in diesem Bereich forschen. Aber ich denke, dass dieses Feld riesig werden könnte. Und das ist ziemlich spannend“, beschreibt Roberts, worum es im Kern geht. Um eine Art Grundlagenforschung mit einer Sichtweite, die Millionen von Jahren zurückreicht. Mit Kot als Fernglas.