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2. Interdisziplinäre deutsch-baltische Nachwuchstagung

Bericht aus Vilnius: „Vom Hansehandel zum Kochbuch von heute“

„Vom Hansehandel zu den Kochbüchern von heute“ – so lautete der Titel der 2. Interdisziplinären deutsch-baltischen Nachwuchstagung (IdbN), die im Oktober in der Philologischen Fakultät der Universität Vilnius stattfand.

Deutsch Baltische Tagung Vilnius
Welch glänzender Rahmen für eine Tagung in Vilnius. (Foto: Dr. Martin Pabst / Deutsches Kulturforum östliches Europa)

Deutschland und die baltischen Staaten, Kultur, Geschichte… Manch einer wird bei diesen Themen eher an graue wissenschaftliche Eminenzen denken, die – bei allem Respekt – bedeutungsschwer und in ihrer eigenen Sprache aus dicken, alten Büchern zitieren.

Diesem Bild trat und tritt das Format IdbN bewusst entgegen, namentlich wie inhaltlich. So zeigte sich in Vilnius erneut, dass es reichlich gute Gründe gibt, die enge kulturelle Verbindung zwischen Estland, Lettland, Litauen und Deutschland auch wissenschaftlich-akademisch frisch zu halten.

Dazu passend wurde bei der 2. Auflage der Veranstaltung Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern aus einem recht breiten Fächerkanon die Chance geboten, mit Ergebnissen und Denkanstößen auf eigene Forschungsthemen aufmerksam zu machen.

„Haben sie sich jemals gefragt, wie es wohl wäre, die Welt anzuhalten?“ Man muss erst mal auf die Idee kommen, einen Vortrag über lettische und deutsch-baltische Kochbücher mit einer bildlich derart kraftraubenden Frage zu verknüpfen.

Litauen hat Anteil an der kulturellen Entwicklung Deutschlands

Getan, aber auch wunderbar aufgelöst hat das Anna Lauska, Studentin an der Kulturakademie Lettlands, indem sie sich der identitätsstiftenden Rolle des Kochens und Backens gewidmet hat. Und zwar anhand mehrerer Kochbücher aus Lettland und Deutschland, verfasst vor und nach dem 2. Weltkrieg.

Deutsch Baltische Tagung Vilnius 1
In Theorie und Praxis vereint: der historische, deutsch-baltische Bezug zum das Thema Essen war ein Hauptpunkt der Veranstaltung. (Foto: Dr. Martin Pabst / Deutsches Kulturforum östliches Europa)

Mit Bezug zur deutsch-baltischen Geschichte, in der Flucht und Vertreibung gegen Ende des Krieges allgegenwärtig waren, vermochten es laut Anna Lauska die alten Rezepte, die (nun ja) glückliche Vergangenheit lebendig zu halten. Oder eben, um im Bild zu bleiben: die Welt im Heimeligen anzuhalten.

In ihren Grußworten betonten die Gastgeber der Uni Vilnius die große Bedeutung interdisziplinärer Ansätze und Kooperationen. Verbunden mit der von Dr. Virginijus Tamaševičius geäußerten Hoffnung, dass von „dieser Tagungsreihe große Inspiration für zukünftige Forschungen“ ausgehen möge.

Spannende Anknüpfungspunkte hierfür lieferte die Veranstaltung zuhauf. So auch die von Keynote-Speaker Prof. Iwan-Michelangelo D’Aprile (Uni Potsdam) vertretene These, bestimmten Berührungspunkten mit Litauen könne eine Art Schlüsselcharakter in der kulturellen Entwicklung Deutschlands zugesprochen werden.

Der Wandel des Reisens hat Bezug zum Deutsch-Baltischen

Für D’Aprile begann dies mit den Schriften des litauischen Pfarrers Philipp Ruhig (1675-1749), die den Quellen nach Einfluss auf überaus prägende Köpfe wie Gotthold Ephraim Lessing und Johann Gottfried Herder hatten.

Dem folgend, sind nicht wenige Forscher der Meinung, es wäre klug, sich intensiver mit der deutsch-litauischen Kulturgeschichte zu befassen. Eine – aus Gründen – noch recht junge „Geschichte“ und Verbindungsachse zwischen Deutschland und den baltischen Staaten ist hingegen das Reisen. Jedenfalls in seiner modernen Form.

Deutsch Baltische Tagung Vilnius 2
Die Veranstaltungsreihe ging in Vilnius in ihre 2. Runde. (Foto: Dr. Martin Pabst / Deutsches Kulturforum östliches Europa)

Daran anknüpfend zeigte Maximilian Marotz vom Zentrum für Kulturwissenschaftliche Forschung in Lübeck am Beispiel der Wismarer Kaufleute des 16. Jahrhunderts, welch ganz anderem Zweck das Reisen in damaligen Zeiten diente.

Denn im Gegensatz zum Adel war den Kaufleuten ein hoher gesellschaftlicher Rang nicht in die Wiege gelegt, aber eben möglich. Nur musste man dafür erfolgreich seine Arbeit verrichten, sich bilden und formen, woran auch Reisen ins ferne Baltikum laut Maximilian Marotz einen großen Anteil hatten.

Hintergrund: „Last but not least“ hier noch die weiteren Beiträge, die bei der 2. Interdisziplinären deutsch-baltischen Nachwuchstagung auf dem Programm standen:

– Die Suche nach und die Rechtfertigung von deutsch-lettischen Beziehungen und Verbindungen in den Kulturzeitschriften „Laikmets“ und „Latvju Mēnešraksts“ (1942-1944) / Referentin: Paula Sekača (Universität Liepāja)

– Zwischen Faszination und Ideologie: Zum deutschsprachigen Schrifttum über Vilnius aus der Zeit des Ersten Weltkriegs / Referent: Tomas Vytautas Kotovičius (Universität Vilnius)

– Vilnius / Wilna / Wilno als multilingualer urbaner Raum im Roman von Alfred Döblin „Reise in Polen“ / Referentin: Mariola Ana Krukovska (Universität Vilnius)

– Ein baltisches Jagdrätsel und seine kriminologische Narration: Siegfried von Vegesack „Der Pastoratshase“ (1957) / Referentin: Amanda Beser (Universität Potsdam)

– Wolf Children (Wolfskinder): Cultural Memory in the Baltic and Nordic countries / Referentin: Rūta Matimaitytė (Universität Vilnius)

– Portrayal of Baltic Germans in Estonian and Latvian history textbooks: the interwar era compared to 1990s / Referentin: Mann Loper (estnische Autorin)

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Stephan Hartmann

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