Ausstellung in Schottland
Lewis-Schachfiguren aus 12. Jh. in ganz neuer Perspektive
Die ikonischen Lewis-Schachfiguren aus dem 12. oder 13. Jahrhundert werden aktuell im National Museum of Scotland in einer neuen Ausstellung präsentiert. Dabei haben Besucher die Möglichkeit, die Figuren aus einer noch nie dagewesenen Perspektive zu bewundern.
Die im Mittelalter wahrscheinlich in Norwegen aus Walrosselfenbein und Pottwalzähnen gefertigten Artefakte gehören ohnehin zu den bekanntesten Objekten des Museums. In der Vergangenheit konnten sie allerdings nur frontal von vorne betrachtet werden.
Das ist nun anders, da zehn der Spielfiguren in einem neuen Schaukasten ausgestellt sind, der es erstmals ermöglicht, auch ihre Rückseiten zu betrachten. Die Figuren reichen vom Berserker mit den großen Augen, der an seinem Schild nagt, bis hin zur Königin, die ihr Kinn in die Hand stützt und einen genervten Gesichtsausdruck hat.
Die Figuren wurden für ihre auffälligen Gesichtsausdrücke berühmt, aber auch ihre Rückseiten sind extrem detailreich. Die Throne sind mit komplexen Rankenornamenten und ineinander verschlungenen Schnitzereien verziert, während das Haar einiger Figuren in Lockenpracht über den Rücken fällt.
Die Figuren werden seit dem 31. Oktober mit neuer Beleuchtung, neuer Anordnung und aufgefrischter Interpretation ausgestellt. Dr. Alice Blackwell, leitende Kuratorin für mittelalterliche Archäologie und Geschichte bei den National Museums of Scotland, sagte:
„Der Schnitzer hat sich besonders bei den Thronrückseiten ins Zeug gelegt“
„Die Schachfiguren von Lewis sind sehr beliebt, was auf ihre ikonischen Gesichtsausdrücke und Posen zurückzuführen ist. Es handelt sich jedoch um Objekte, die ursprünglich so gestaltet waren, dass sie aus allen Blickwinkeln betrachtet werden können. Schließlich sieht jeder Spieler die Rückseiten seiner eigenen Figuren.“
Und weiter: „Der Schnitzer hat sich besonders bei den Thronrückseiten ins Zeug gelegt, mit verschlungenen Ranken und Knoten, die im Vergleich zu den einfacheren Vorderseiten wirklich prächtig sind. Ich freue mich, dass Besucher des National Museum of Scotland nun die Möglichkeit haben, diese charmanten Figuren in ihrer ganzen Pracht kennenzulernen.“
Die Schachfiguren sind Teil eines großen Schatzes, der Anfang des 19. Jahrhunderts auf der Insel Lewis entdeckt wurde (daher der Name). Sie geben Einblicke in die wachsende Beliebtheit des Schachspiels im mittelalterlichen Europa sowie in die internationalen Verbindungen Westschottlands in dieser Zeit.
Der Schatz enthielt insgesamt 93 Spielfiguren aus mindestens vier Schach- und anderen Spielen. Elf Figuren befinden sich in der Sammlung des National Museum of Scotland, die restlichen 82 in der Sammlung des British Museum, von denen sechs an das Museum nan Eilean in Lewis ausgeliehen sind.
Es ist nicht bekannt, wer die Figuren vergraben hat – und warum
In diesem Teil Schottlands gibt es mehr Burgen als in jedem anderen Teil der britischen Inseln. Man geht davon aus, dass die Stücke um 1200 in Norwegen hergestellt wurden, wobei Lewis zu dieser Zeit Teil des nordisch-gälischen Königreichs war.
Das Königreich umfasste Inseln und Land entlang der Westküste Schottlands sowie die Isle of Man. In der Region gab es einen starken skandinavischen Einfluss. Es ist allerdings nicht bekannt, wer die Figuren vergraben hat – und warum.
Theorien besagen, dass sie Eigentum eines Händlers gewesen sein könnten, der von Skandinavien nach Schottland, Irland oder auf die Isle of Man segelte, um die Spielsets zu verkaufen. Die Figuren könnten aber auch der geschätzte Besitz eines örtlichen Fürsten, Bischofs oder eines anderen Anführers gewesen sein.