Ein Salat zubereitet von der Technischen Hochschule in Göteborg
Umami-Geschmack: Proteine dieser Alge könnten bald auf unseren Tellern landen
Schweden ist führend in Europa, wenn es um die Reduzierung der Netto-Treibhausgasemissionen geht. Bereits 1990 lagen die CO2-Emissionen pro Kopf dort fünfmal unter dem europäischen Durchschnitt. Seitdem hat das Land seine Emissionen noch einmal um 80 Prozent gesenkt, während der EU-Durchschnitt nur einen Rückgang von 30 Prozent verzeichnet.
Beeindruckend ist, dass Schweden, obwohl es stark industrialisiert ist und Stahl, Zement sowie Autos produziert, diese Reduktion erreicht hat und dabei gleichzeitig sein Wirtschaftswachstum verdoppeln konnte.
Ein Puzzle-Stein dieses „Wirtschaftswunders“ ist die Innovation in der Nachhaltigkeit von Technolgien und Verfahren. Jüngstes Beispiel sind die klimafreundlichen blaugrünen Proteine aus Algen von der schwedischen Küste, die bald unseren Speiseplan bereichern könnten.
Ein Salat zubereitet von der Technischen Hochschule in Göteborg
Das Eiweiß im Meersalat, einer Meeresalgenart, ist eine vielversprechende Ergänzung zu Fleisch und anderen alternativen Proteinquellen. Zusätzlich bietet Seetang viele wertvolle Nährstoffe und wird umweltschonend angebaut, da er ohne Bewässerung, Düngemittel oder Insektizide auskommt. Bisher war es jedoch schwierig, die fest gebundenen Proteine vollständig nutzbar zu machen.
Nun haben Forscher der Technischen Hochschule Chalmers in Schweden eine Methode entwickelt, um diese Proteine dreimal effizienter als bisher zu extrahieren. Dieser Fortschritt ebnet den Weg für innovative Produkte wie Meeresalgen-Burger oder Protein-Smoothies aus dem Meer.
João Trigo, Doktor der Lebensmittelwissenschaften an der Chalmers-Hochschule, beschreibt das resultierende dunkelgrüne Pulver aus Meersalatproteinen:
„Es hat einen Umami-Geschmack mit einer dezenten Salznote, obwohl es wenig Salz enthält. Es ist ein großartiger Geschmacksverstärker für Meeresfrüchtegerichte, und die Möglichkeiten sind endlos – warum nicht auch Protein-Smoothies oder ‚blaue Burger‘ aus dem Meer?“
Meersalat, wissenschaftlich bekannt als Ulva fenestrata/lactuca, wächst als Makroalge auf Felsen in ruhigen Gewässern oder schwimmt frei an der Oberfläche und erinnert an herkömmliche Salatblätter.
Umstieg von rotem Fleisch auf gesündere Proteinquellen
Fleisch und Milchprodukte stehen im Mittelpunkt der Klimakrise. Ihre Produktion ist eine der Hauptursachen der CO2-Emissionen, die uns den Klimawandel bescheren. Daher ist ein Schlüssel der Bekämpfung der Auswirkungen des Klimawandels die sogenannte Proteinverschiebung, – also der Umstieg von rotem Fleisch auf gesündere und nachhaltigere Proteinquellen. Diese Verhaltensänderung könnte die Klimaauswirkungen der Lebensmittelproduktion erheblich reduzieren.
Das CirkAlg-Projekt, geleitet von der Technischen Hochschule in Göteborg, erforscht Verfahren zur Entwicklung einer „blaugrünen“ Lebensmittelindustrie in Schweden, bei der Algen als vielversprechende Proteinquelle dienen.
Eine aktuelle wissenschaftliche Studie im Rahmen des Projekts stellt eine innovative Methode zur Extraktion von Proteinen aus Meersalat vor, mit der sich dreimal mehr Proteine gewinnen lassen als bisher.
„Dieser Durchbruch ist ein entscheidender Schritt, um die Proteinextraktion kostengünstiger zu machen, ähnlich wie bei Erbsen- und Sojaproteinen“, erklärt João Trigo.
Enthält mehrere wichtige Nährstoffe
Meersalat bietet nicht nur hochwertiges Protein, sondern auch essenzielle Nährstoffe wie Vitamin B12 und Omega-3-Fettsäuren, die in Fisch vorkommen. Auch hier zeigt sich das Entlastungspotetial für die überfischte Meeresfauna.
Für Menschen ist Vitamin B12 wichtig, da es die Bildung roter Blutkörperchen unterstützt. Der Anbau von Meersalat bringt zudem Vorteile mit sich: Er benötigt weder Bewässerung, Düngemittel noch Insektizide und ist robust gegenüber verschiedenen Bedingungen, etwa Schwankungen im Salzgehalt und Zugang zu Stickstoff.
Neben der neuen Extraktionsmethode arbeiten die Chalmers-Forscher in Zusammenarbeit mit der Universität Göteborg daran, den Proteingehalt im Seetang zu steigern. Durch die Kultivierung von Meersalat in Prozesswasser aus der Fischindustrie lässt sich der Proteingehalt erheblich erhöhen, während zugleich Nährstoffe, die sonst verloren gingen, in die Nahrungskette zurückgeführt werden.
Kein Molekül wird zurückgelassen
Im Meereslabor Tjärnö, das zur Universität Göteborg gehört und im nördlichen Bohuslän in Schweden liegt, wurden im Rahmen des CirkAlg-Projekts bereits zahlreiche erfolgreiche Anbauversuche mit Industriewasser-Nebenströmen durchgeführt.
„Wir möchten zukünftig auch die nicht-proteinhaltigen Teile der Algen nutzen, etwa für Lebensmittel, Materialien oder medizinische Anwendungen. Unser Ziel ist es, keine Moleküle zu verschwenden, um sowohl nachhaltige als auch wirtschaftliche Vorteile zu schaffen“, erklärt Ingrid Undeland.
Die Studie „A new method for protein extraction from sea lettuce (Ulva fenestrata) via surfactants and alkaline aqueous solutions“ wurde in der Zeitschrift Food Chemistry veröffentlicht. Die Autoren der Studie sind João Trigo, Sophie Steinhagen, Kristoffer Stedt, Annika Krona, Simone Verhagen, Henrik Pavia, Mehdi Abdollahi und Ingrid Undeland.