Heimlich Straßen zur Grenze gebaut
Winterkrieg: Moskaus Angriff auf Finnland jährt sich heute zum 85. Mal
Am Morgen des 30. November 1939 eröffnete die Sowjetunion einen groß angelegten Angriff auf Finnland, der den 105-tägigen Winterkrieg einleitete. (Vermutlich war auch diese „militärische Spezialoperation“ ursprünglich auf „drei Tage“ angelegt.)
Im August 1939 schloss die Sowjetunion mit Nazi-Deutschland den Molotow-Ribbentrop-Pakt, auch Hitler-Stalin-Pakt genannt, einen Nichtangriffsvertrag mit einem geheimen Zusatzprotokoll. Dieses legte die Aufteilung Osteuropas in Einflusssphären fest, wobei Finnland der sowjetischen Sphäre zugeordnet wurde und der UdSSR freie Hand für militärische Aktionen einräumte.
Am 1. September begann Deutschland den Angriff auf Polen, gefolgt von der sowjetischen Besetzung Ostpolens am 17. September. Kurz darauf zwang die Sowjetunion Lettland, Litauen und Estland, sowjetische Militärstützpunkte und Truppen auf ihrem Territorium zu dulden.
Ultimatum an Finnland
Im Oktober stellte Moskau Forderungen an Finnland: Die Verschiebung der Grenze auf der Karelischen Landenge nach Westen, die Zerstörung finnischer Verteidigungsanlagen in diesem Gebiet sowie die Abtretung von Inseln im Finnischen Meerbusen, Gebieten in der Barentssee und eine 30-jährige Pacht der strategisch wichtigen Hanko-Halbinsel, etwa 120 Kilometer westlich von Helsinki. Im Gegenzug bot die Sowjetunion Finnland Gebiete in Ostkarelien an.
Die finnische Regierung wies die sowjetischen Forderungen zurück und schlug ein Gegenangebot vor, das wiederum in Moskau auf Ablehnung stieß.
Der Mainila-Zwischenfall
Die Sowjets behaupteten, finnische Artillerie habe am 26. November das Dorf Mainila in der Karelischen Landenge beschossen. Dabei sollen vier sowjetische Soldaten getötet und neun verletzt worden sein. Der Angriff war jedoch eine inszenierte Aktion unter falscher Flagge, ausgeführt von sowjetischen Truppen, um einen Vorwand für den Kriegseintritt vier Tage später zu schaffen.
Ein Vorgehen, dass die Sowjets von den Deutschen abgeschaut hatten, die einen angeblich polnischen Angriff auf den Sender Gleiwitz in Schlesien inszeniert hatten, um der Öffentlichkeit Gründe für einen Angriff auf Polen zu präsentieren.
David gegen Goliath
Am ersten Kriegstag verfügte Finnland über 300.000 Soldaten, die das gesamte Land verteidigen sollten. Die Ressourcen waren knapp: Munition, Granaten und Treibstoff reichten gerade einmal für zwei Monate.
Das finnische Militär besaß lediglich 32 Panzer, von denen nur 10 einsatzbereit waren, sowie 114 meist veraltete Kampfflugzeuge. Die Sowjetunion hingegen hatte heimlich Straßen zur Grenze gebaut und konnte 2.514 Panzer sowie 718 Panzerwagen ins Feld führen.
Trotz dieser Übermacht scheiterte der sowjetische Vormarsch am ersten Tag an der unerwartet starken Verteidigung der Finnen.
Josef Stalin und seine Generäle erwarteten, dass die finnische Verteidigung überwältigt würde und Finnland innerhalb weniger Wochen kapitulieren würde.
Die Sowjetunion sah sich gezwungen, fast vier Monate lang über 750.000 Soldaten sowie große Teile ihrer überlegenen Panzer- und Luftstreitkräfte einzusetzen, bevor Finnland schließlich zu erschöpft war, um den Widerstand fortzusetzen.
Nach 105 Tagen endete der Konflikt: Am 12. März 1940 unterzeichneten beide Seiten den Moskauer Friedensvertrag, der den Krieg am 13. März offiziell beendete.
Finnland verlor 11 Prozent seines Territoriums und 30 Prozent seiner Wirtschaftsgüter aus der Vorkriegszeit. Die UdSSR erhielt einen 30-jährigen Pachtvertrag zur Nutzung der Halbinsel Hanko als Militärstützpunkt, aber Finnland behielt seine Unabhängigkeit.
Mehr als 420.000 Karelier, 12 Prozent der finnischen Bevölkerung, wurden aus den abgetretenen Gebieten evakuiert.