Jeder 4. in Norwegen war Leibeigener
Sklaven zur Wikingerzeit: Hartes Leben in Hoffnung auf Freiheit
Was geschah mit den Sklaven der Wikingerzeit? Laut Jón Viðar Sigurðsson, Professor an der Universität Oslo, war während dieser Ära etwa jeder vierte Einwohner Norwegens ein Leibeigener. Diese Menschen wurden entweder bei Raubzügen gefangen genommen oder auf Sklavenmärkten in Europa gekauft.
Die gefangenen Männer und Frauen dienten den Wikingern persönlich oder wurden in der arabischen Welt weiterverkauft. Selbst Norweger konnten in ihrem Heimatland aufgrund von Schulden in die Leibeigenschaft geraten.
„Während der Wikingerzeit war ein großer Teil der männlichen Bevölkerung auf Raubzügen oder Handelsreisen unterwegs. Das bedeutete, dass es auf den Bauernhöfen an Arbeitskräften mangelte. Die Sklaven ersetzten diejenigen, die unterwegs waren“, sagt Sigurðsson.
Manche Leibeigene wurden in die Sklaverei hineingeboren. Kinder, die aus Verbindungen zwischen Sklaven oder durch den Missbrauch weiblicher Leibeigener entstanden, blieben in der Folge oft Leibeigene. In einigen Fällen ließen die Väter ihre Kinder jedoch auch frei.
Die Möglichkeit zur Freiheit bot Hoffnung: Einige Sklavenhalter gestatteten ihren Leibeigenen, Geld zu sparen, um sich irgendwann freizukaufen. Flucht war hingegen selten eine Option, da es an Mitteln und Ressourcen fehlte.
Sowohl große als auch kleine Bauernhöfe hielten Sklaven, die oft die härtesten Arbeiten übernahmen. Archäologen fanden in Scheunen kleine Räume mit Feuerstellen, die vermutlich den Leibeigenen gehörten.
Mit dem Ende der Wikingerzeit endete der Import neuer Sklaven in Skandinavien
Diese wurden auch als „Vieh“ bezeichnet und verrichteten körperlich schwerste Arbeiten wie Zaunbau oder das Graben von Torf. Eine skandinavische Studie zeigt, dass Leibeigene oft einen gewaltsamen Tod starben. Ihre Knochen weisen Misshandlungen auf, die sie vor ihrem Tod erlitten.
Mit dem Ende der Wikingerzeit um das Jahr 1050 nach Christus und dem Beginn des Mittelalters endete der Import neuer Sklaven in Skandinavien. Bestehende Leibeigenschaften mündeten im Zuge dessen in der Befreiung oder liefen sozusagen im Tod aus.
Jón Viðar Sigurðsson erklärt, dass viele befreite Sklaven als Pachtbauern weiterlebten. Diese standen gesellschaftlich jedoch unter normalen Bauern. Im Laufe der Zeit integrierten sich die Nachkommen der Leibeigenen in die norwegische Gesellschaft.
„Um nach Hause zu kommen, brauchte man Ressourcen. Und wenn man vor 10 bis 15 Jahren aus Irland verschleppt worden war, was gab es dann, wohin man zurückkehren konnte? Es gab keine Garantie dafür, dass sie in ihrer Heimat ein besseres Leben haben würden als in Norwegen“, erklärt Sigurðsson.
Einer bestimmten Gruppe von Leibeigenen gelang es jedoch nicht selten, in ihre Heimat zurückzukehren.
„Wikinger entführten Personen aus wohlhabenden Familien und forderten Lösegeld. Wenn ihre Familien zahlten, durften ihre Familienmitglieder wieder nach Hause“, sagt der Forscher.
Ein Nebeneffekt der laut Science Norway weit verbreiteten Idealisierung der Wikingerzeit ist, dass die Sklaverei dieser Epoche aus den Erzählungen weitgehend ausgeschlossen ist. Der Aufarbeitung dieser Geschichte hilft das nur wenig.