Kritiker befürchten Kettenreaktion
„Litauen wird zur Finanzprovinz“: Diskussion um Fusion der SEB-Banken im Baltikum
Die geplante Fusion der SEB-Banken in Litauen, Lettland und Estland zu einer zentralen Institution mit Hauptsitz in Tallinn sorgt für Diskussionen. Kritiker sehen in der Entscheidung, den Sitz der neuen Bank in Estland anzusiedeln, eine Degradierung Litauens zur „Finanzprovinz“.
Die schwedische SEB Bank, eines der größten Finanzinstitute in Litauen, strebt mit der Fusion eine effizientere Organisation ihrer Geschäfte im Baltikum an.
Laut Sonata Gutauskaitė-Bubnelienė, Präsidentin der SEB Bank Litauen, sei die Entscheidung nach einer umfassenden Bewertung getroffen worden.
„Wir haben die Stabilität und Vorhersehbarkeit des Geschäftsumfelds in allen drei Ländern analysiert, einschließlich finanzieller, regulatorischer und weiterer Faktoren. Diese Bewertung führte zur Entscheidung für Tallinn“, erklärte sie gegenüber LRT Radio, wie LRT berichtet.
Entscheidung habe keine Auswirkungen auf Kunden
Gutauskaitė-Bubnelienė betonte, dass die Kunden in Litauen von der Umstrukturierung nicht betroffen seien.
„Unsere Kunden werden keine Veränderungen spüren. Im Gegenteil, durch die Konsolidierung werden wir eine der kapitalstärksten Banken in den baltischen Staaten, was unsere Position und Finanzierungskapazität deutlich stärkt“, so die SEB-Chefin.
Die geplante Fusion soll Anfang 2027 abgeschlossen sein, sofern die zuständigen Aufsichtsbehörden und die Europäische Zentralbank ihre Zustimmung erteilen.
Währenddessen werfen Kritiker der SEB Bank vor, Litauen in der regionalen Finanzhierarchie abzuwerten. Befürchtet wird, dass die Entscheidung längerfristig die Bedeutung des Landes als Finanzzentrum im Baltikum schwächen könnte.
Kritiker befürchten Kettenreaktion
Laut Rolandas Valiūnas, Vorstandsvorsitzender des Investors‘ Forum, könnte die Entscheidung von SEB andere Investoren dazu ermutigen, Litauen zu verlassen.
„Ich denke, das wird teuer werden. Und zwar nicht direkt wegen der von Banken gezahlten Steuern, sondern weil jede Investition, die woanders hingeht, langfristig dem Haushalt entzogen werden, und sicherlich wird jemand die Entscheidung von SEB sehen und sich für Estland oder ein anderes Land entscheiden, weil er denkt, dass Litauen nicht vorhersehbar genug ist“, sagte Valiūnas gegenüber LRT Radio.
„Die wichtigsten negativen Folgen sind der Ruf, der sicherlich in Mitleidenschaft gezogen wird, und die gut bezahlten Arbeitsplätze werden nach Tallinn gehen“, fügte er hinzu.
Die SEB Bank weist diese Bedenken zurück und verweist auf die strategischen Vorteile der Konsolidierung. Doch die Diskussion darüber, was die Entscheidung für Litauens Finanzsektor bedeutet, dürfte anhalten.
Reaktionen aus Lettland
Im Gegensatz zu Litauen, scheinen die Reaktionen auf die Fusion und die Etablierung eines Hauptquartiers in Tallinn fürs Baltikum, unaufgeregter zu sein.
Laut Angaben der Bank von Lettland wird die Umstrukturierung nach den geltenden Vorschriften erfolgen. „Es handelt sich um einen geregelten Prozess, der mit der Einreichung der entsprechenden Dokumente bei der Bank von Lettland und der EZB startet“, erklärte die Bank, laut dem Nachrichtenportal LVM.
Die Bank von Lettland betonte zudem, dass die SEB-Gruppe bereits heute weitgehend einheitlich in den baltischen Staaten operiere, sodass die Kunden der lettischen SEB banka keine Veränderungen spüren würden. Die üblichen Finanzdienstleistungen und die Präsenz der Bank in Lettland sollen auf dem aktuellen Niveau bleiben.
„Die Fusion ist ein schrittweiser, rechtlicher Prozess, und die Kunden werden über den Fortschritt informiert“, so die Bank weiter. Sie verwies dabei auf die Erfahrungen mit der lettischen Zweigstelle der Luminor Bank, die in einer ähnlichen Weise tätig ist, wie es nach der SEB-Fusion geplant ist.
Auch nach der Umstrukturierung wird die EZB die direkte Aufsicht über die SEB-Gruppe behalten. Die Bank von Lettland betonte in diesem Zusammenhang die Bedeutung eines einheitlichen Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen in der EU.
„Es ist essenziell, allen Ländern der Europäischen Union Zugang zu modernen und erschwinglichen Dienstleistungen zu gewährleisten“, erklärte sie.
Uldis Cērps, Vorstandsvorsitzender des Verbandes Lettischer Geschäftsbanken, äußerte sich durchaus kritisch zur Entscheidung, den Hauptsitz der fusionierten SEB-Banken in Estland anzusiedeln.
„Wie konnte sich Estland mit seiner kleineren Bevölkerung als wettbewerbsfähiger erweisen, wenn es darum geht, große Unternehmenszentralen anzuziehen? Warum ist dies nicht in Lettland geschehen?“, fragte Cērps, laut LVM.
Rungainis kritisierte die Rahmenbedingungen in Lettland.
„Warum Banken hier nicht arbeiten können oder warum sie hier teurer sind als in den Nachbarländern, ist eine direkte Folge der Entscheidungen und der Politik des lettischen Staates. Die Aufsicht muss reduziert, gestrafft und der bürokratische Aufwand gesenkt werden“, forderte er.
Die Bank von Lettland bestätigte unterdessen, dass die SEB banka auch in der neuen Struktur die Bankenüberschusssteuer zahlen müsse. Diese Solidaritätsabgabe gilt auch für die lettische Zweigstelle der SEB-Gruppe.