Interview
111 Orte in Helsinki, die man gesehen haben muss
Die Journalistin, Autorin und Fotografin Tarja Prüss hat am 28. Juni 2018 ihr zweites Buch über Finnland veröffentlicht. Es heißt „111 Orte in Helsinki, die man gesehen haben muss“. Der finnische Presse- und Kunstfotograf, Juha Metso, steuerte seine Bilder bei. Tarja berichtet seit vielen Jahren über Finnland, schreibt Reportagen und Features. Bei Nordisch.info war sie Autorin der ersten Stunde. Wir befragten sie zu Helsinki und ihrem neuen Reise-Lese-Buch.
Tarja, es ist bereits dein zweites Buch über Finnland. Erkläre uns kurz, welchen Bezug du zu diesem Land hast.
Meine Vorfahren mütterlicherseits sind Finnen. Sie lebten in Karelien (heute Russland), mussten im finnischen Winterkrieg ihr Land von heute auf morgen verlassen und bauten sich in Oulu ein neues Zuhause auf. Als Kind liebte ich es, die Ferien bei meinen Großeltern in Oulu zu verbringen.
Vor fünf Jahren entdeckte ich meine Liebe zu Finnland noch mal ganz neu. Es war zugleich ein Wendepunkt in meinem Leben. Meine Mutter und mein Mann hatten kurz hintereinander viel zu früh diese Welt verlassen und ich musste mich und mein Leben ganz neu ausrichten. Das führte mich in den Norden. Ich verbrachte mehrere Monate in Finnland, reiste allein bis zum Polarkreis und weiter, auch auf der Suche nach meinen Wurzeln und verliebte mich noch mal ganz neu in dieses unvergleichliche Land mit seiner grandiosen Natur, seinen Extremen, seiner Stille und seinen freundlichen Menschen.
Du lebst in Deutschland. Wie oft bist du in Finnland anzutreffen?
Im Schnitt bin ich alle zwei Monate in Finnland, also fünf bis sechsmal im Jahr. Dabei versuche ich immer, auch eine neue Region oder einen neuen Ort zu erkunden. Vergangene Woche war ich das erste Mal in der Region Savo im finnischen Seenland, um neuen Formen des ländlichen Tourismus (Agrotourismus) kennenzulernen.
Die finnische Sprache gilt als besonders schwierig zu erlernen. Wie steht es um dein Finnisch?
Es könnte besser sein. Meine Mutter versuchte uns drei Kinder zweisprachig zu erziehen, aber noch vor der Einschulung lehnte ich es eines Tages ab, überhaupt weiter finnisch zu sprechen. Möglicherweise deshalb, weil mich die Nachbarskinder nicht verstanden, wenn ich ein Kauderwelsch aus finnisch und deutsch sprach. Heute muss ich nun mühsam nachholen, was ich früher kinderleicht gelernt hätte. Aber die Finnen reagieren sehr freundlich, wenn man sich bemüht, auf finnisch zu kommunizieren. Und noch gebe ich den Wunsch nicht auf, irgendwann ohne Englisch in Finnland zurecht zu kommen.
Die Fotos zu deinem Buch hat der finnische Presse- und Kunstfotograf, Juha Metso, beigesteuert. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Juha und ich haben uns vor einigen Jahren zufällig in Lappland kennengelernt. Wir waren beide auf der „Jagd“ nach Polarlichtern. Er für die größte finnische Tageszeitung Helsingin Sanomat, ich für meinen Blog. Seitdem sind wir befreundet und treffen uns in Finnland, wenn es unsere Zeitpläne zulassen. Irgendwann kam die Idee für ein gemeinsames Buchprojekt auf und ich bin sehr glücklich, dass wir es zusammen mit dem Emons Verlag realisieren konnten.
Du bist selbst eine ausgezeichnete Fotografin, deren Fotos ausgestellt wurden, kamen auch einige deiner Bilder zum Einsatz?
Juha ist ein Profi-Fotograf mit einem enormen Arbeitspensum und immensen Output. Er ist eigentlich immer „on the road“, permanent in der Welt unterwegs, veröffentlicht nicht nur Fotoreportagen, sondern auch mehrere Bücher pro Jahr. Insofern war es gar nicht so leicht, gemeinsame Termine für Fotosessions in Helsinki zu finden. So erklärt sich auch, warum rund 80 Fotos im Buch von mir sind.
Was ist dein persönliches Lieblingsmotiv in Helsinki?
Das ist eine schwierige Frage. Als erstes fällt mir das besondere Licht in Helsinki ein. Sei es das milde Sommerlicht in den nachtlosen Nächten oder das melancholische Licht an den bläulich scheinenden Wintertagen. Es ist zu jeder Jahreszeit anders und immer irgendwie besonders. Das liegt vielleicht daran, dass Helsinki auf dem 60. Breitengrad liegt.
Ich fahre bald mit der Familie nach Helsinki, es sind drei kleine Kinder dabei. Welche Kapitel deines Buches sollten wir besonders beachten?
Im Blaubeer-Land werden eure Kinder sicher eine Menge Spaß haben. Es gibt dort einen schönen Sandstrand, einen Kiosk mit Eis und viel lichten Wald, in dem man allerlei entdecken kann. Unter anderem eine Menge Blaubeeren, die Dank des finnischen Jedermannsrechts sogleich in den Mund wandern dürfen.
Ganz in der Nähe befindet sich auch der Klettergarten Korkee, wo man nach Herzenslust und je nach Abenteuerlevel in luftigen Höhen klettern und an Seilen durch den Wald sausen kann.
Und direkt im Hafen gibt es dann noch das Allas Spa mit drei verschiedenen Pools, wovon einer sogar mit Ostseewasser gespeist ist.
Nicht zu vergessen die Mumins. Man sollte nicht versäumen, sie hautnah im Mumin-Café zu treffen, ein Familiencafé, das Kinder in den Mittelpunkt stellt.
Mit welcher deutschen Stadt ist Helsinki am ehesten zu vergleichen?
Wenn man Städte überhaupt miteinander vergleichen kann, dann kommt vielleicht am ehesten Hamburg in Frage. Auch dort gibt es viel Grün in der Stadt und man begegnet immer wieder dem Wasser. Die vielen Schiffe, das Maritime, das Hamburg mit sich trägt, und dass sich das Leben im Sommer vornehmlich draußen an den Hafenpromenaden und Stränden abspielt. Das erinnert mich zumindest an Helsinki. Genauso wie die manchmal eigenwillige Kultur und der nordische Stil. Und so wie ich die Hamburger kennengelernt habe, mit ihrer toleranten und offenen Haltung, wie sie in vielen Hafenstädten anzutreffen sind, erinnert an die Helsinki-Mentalität.
Was machen, deiner Meinung nach, viele Touristen falsch, wenn sie in Helsinki sind?
Ich weiß nicht, ob man von falsch sprechen kann, wenn man im Urlaub ist. Manche halten sich vielleicht zu streng an ein Besuchsprogramm, arbeiten einen Reiseführer ab und machen sich ungewollt Stress damit, möglichst viel in kurzer Zeit sehen und erleben zu wollen.
Für mich die schönste Art, eine Stadt zu entdecken, ist, sich dem Rhythmus der Einheimischen anzugleichen. Dasselbe wie sie zu machen und herauszufinden, was es mit einem macht. Etwa am Morgen einen Kaffee in einem der Cafézelte am Hafen zu trinken, sich tagsüber gelassen durch die Stadt treiben zu lassen und am Abend gemütlich in der Sauna den Tag abtropfen zu lassen. Dann nähert man sich dem Lebensgefühl der Menschen in Helsinki an und kann am ehesten den Puls der Stadt fühlen.
Wie finnisch ist Helsinki wirklich? Ist man „in Finnland“ gewesen, wenn man nur Helsinki besucht hat?
Wenn man nur Helsinki besucht, dann kennt man eben nur Helsinki. Finnland ist viel mehr als das. Der Kontrast zwischen Stadt- und Landleben in Finnland ist größer als anderswo. Und das Saimaa Seengebiet im Südosten ist ganz anders als Lappland mit seinen Wäldern, Sümpfen und kleinen Erhebungen. Ich denke, Helsinki ist ein guter Startpunkt für weitere Reisen.
Hast du bereits Pläne für ein drittes Buch über Finnland? Wenn ja, welcher Schwerpunkt schwebt dir diesmal vor?
Es gibt bereits einige Ideen in meinem Kopf, aber es braucht noch einige Zeit, bis sie richtig ausgereift sind und zu Papier gebracht werden können. Insofern ist es auch noch zu früh, um darüber zu sprechen. Aber ich freue mich schon darauf, neue Projekte anzugehen. Es wird in jedem Fall wieder um Finnland gehen, aber diesmal auf eine andere Art und Weise. Lassen Sie sich einfach überraschen.
Danke dir für das Gespräch.
Tarja Prüss
111 Orte in Helsinki, die man gesehen haben muss*
240 Seiten | Taschenbuch | EUR 16,95
Emons Verlag (28. Juni 2018)
Siehe auch:
- Buchbesprechung: „Einhundertundelf Gründe, Finnland zu lieben“ von Tarja Prüss
- Was tun in Oulu? – Ein Wochenende in der nördlichsten Großstadt der EU
ap
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