„Unglaubliche Gelegenheit“
Archäologische Entdeckung in England: Angelsächsisches London größer als bislang angenommen
Mit einer bemerkenswerten Entdeckung haben englische Archäologen den Nachweis erbracht, dass das angelsächsische London – Lundenwic genannt – wohl deutlich größer war, als es in Fachkreisen bislang angenommen wurde.
Bilder 1 bis 4: Archaeology South-East / UCL
Das Team von Archaeology South-East legte unter der National Gallery im Herzen des Trafalgar Square urbane Überreste aus dem 7. und 8. Jahrhundert frei. Konkret gilt damit als gesichert, dass die Ausdehnung das historischen Londons ungeahnt weit nach Westen reichte.
Die Ausgrabung ist Teil der Aktion „NG200: Welcome“, die anlässlich des zweihundertjährigen Bestehens der National Gallery durchgeführt wird. Gefunden wurden bislang mittelalterliche Gräben, Feuerstellen, Gruben und Löcher, in denen einst Palisaden errichtet worden sein könnten.
Anlass für die archäologischen Arbeiten war der Bau eines Tunnels, der den Sainsbury-Flügel der Galerie zukünftig mit dem Wilkins-Gebäude verbinden soll. Nach ersten archäologischen Einschätzungen liegen die Ursprünge der Funde irgendwo zwischen 659 und 774 nach Christus.
„Unglaubliche Gelegenheit, die Wurzeln des angelsächsischen Londons zu erforschen“
Hinzu kommt: Die Schichten über der angelsächsischen Siedlung zeigen nachmittelalterliches Mauerwerk, das Teil der kontinuierlichen Umgestaltung des Areals zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert ist.
Stephen White, Leiter der Ausgrabungen, zeigte sich in einem Interview begeistert von dem Projekt: „Die Arbeiten an der National Gallery waren eine unglaubliche Gelegenheit, die Wurzeln des angelsächsischen Londons zu erforschen. Ein wirklich herausragendes Projekt.“
Das heutige London wurde zunächst als römische Siedlung kurz nach der Invasion in Britannien im Jahr 43 n. Chr. gegründet. Londinium, so der Name, umfasste ursprünglich eine kleine Fläche von 1,4 Quadratkilometern, war also ähnlich groß bzw. klein wie heute der Hyde Park.
Nach einigen Wirren expandierte die Stadt dann allerdings rasch, die Einwohnerzahl wuchs bis zum 2. Jahrhundert auf etwa 30.000 bis 60.000 Menschen an. Zwischen 190 und 225 n. Chr. errichteten die Römer eine Verteidigungsmauer entlang des Stadtrandes, bekannt als London Wall.
Die Siedlung entwickelte sich zum wichtigsten Hafen und Handelsplatz der Region
Zu Beginn des 5. Jahrhunderts begann das Römische Reich jedoch zu zerfallen. Die Legionen wurden abberufen, um Rom selbst zu verteidigen. Wie viele britische Städte verfiel in der Folge auch Londinium. Am Ende des Jahrhunderts lag praktisch alles in Trümmern.
Was kam, war die Epoche, aus der die meisten der aktuellen Funde stammen. Die Angelsachsen siedelten westlich des alten Londinium an und nannten ihre Gemeinde wie eingangs bereits erwähnt Lundenwic.
Die Siedlung entwickelte sich fortan zum wichtigsten Hafen und Handelsplatz der Region, was schon die Wortendung „wic“ andeutet. Sie stand im angelsächsischen Sprachgebrauch nämlich für den „Handelsplatz“.
Sarah Younger, Direktorin des „NG200 Welcome Project“, zur Bedeutung der Funde für die National Gallery: „Es ist eine Ehre, an einer Entdeckung wie dieser beteiligt zu sein. Sie betont die Kontinuität zwischen Vergangenheit und Gegenwart auf unserem Grund.“