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„Dann hätten wir eine noch größere Sensation“

Norwegen: Archäologen haben ein möglicherweise 40 Meter langes Wikingerhaus entdeckt

Bei Ausgrabungen auf einem alten königlichen Anwesen in der norwegischen Gemeinde Sem sind vor wenigen Tagen Spuren eines etwa 40 Meter langen und 9 Meter breiten Hauses entdeckt worden, das einst möglicherweise als Versammlungsort der Wikinger diente.


Foto 1: Die riesige Ausgrabungsstätte in der norwegischen Gemeinde Sem. (Museum of Cultural History Oslo)
Foto 2: Die Gruben für die Stützpfosten des Wikingerhauses werden freigelegt und dokumentiert. (Museum of Cultural History Oslo)
Foto 3: Eine rechteckige Kochgrube wird dokumentiert und gezeichnet. (Museum of Cultural History Oslo)
Foto 4: Ein Schwertgriff aus der Merowingerzeit. Im Boden unter Sem überschneiden sich die Epochen. (Museum of Cultural History Oslo)
Foto 5: Eine von mehreren prächtigen Schnallen, die in Sem gefunden wurden. (Museum of Cultural History Oslo)
Foto 6: Eine von zahlreichen Perlen, die geborgen werden konnten. (Museum of Cultural History Oslo)
Foto 7: In den Kochgruben wurden festliche Mahlzeiten zubereitet. (Museum of Cultural History Oslo)
Foto 8: Es waren Hobby-Archäologen mit Metalldetektoren, die Sem im Jahr 2014 auf die archäologische Landkarte gebracht haben. (Museum of Cultural History Oslo)
Foto 9: Heute unscheinbares Hinterland – vor Jahrhunderten mit dem Wikingerschiff erreichbar. (Museum of Cultural History Oslo)

Heute ist eher schwer vorstellbar, dass dieser Ort einst so etwas wie ein Machtzentrum der Nordmänner war. Das zumindest suggeriert die Lage etwa eine Autostunde weg von der norwegischen Hauptstadt Oslo. In sehr ländlicher, fast unscheinbarer Umgebung.

Vor vielen Jahrhunderten war das allerdings anders. Damals war der Wasserstand hier viel höher, sodass Wikingerschiffe bequem den ganzen Weg vom heutigen Drammenfjord bis nach Sem zurücklegen konnten.

Passenderweise leitet sich „Sem“ aus dem Wort Sjøheim ab, was wiederum so viel bedeutet wie „Haus am Meer“ oder „Ort am Meer“. Heute alles Schall und Rauch, hier liegt schon lange nichts mehr am Wasser. Wohl auch daher geriet der Ort ab dem 18. Jahrhundert zusehends in Vergessenheit.

Gleichzeitig erklärt dieser Umstand, weshalb an dem vermeintlich entlegenen Ort seit Jahren ziemlich fulminante Entdeckungen gemacht werden. Es begann 2014, als sich zwei Hobby-Archäologen mit ihren Metalldetektoren auf dem Areal umschauten.

Sie fanden Münzen aus der Wikingerzeit, Fragmente eines Reliquienschreins und Artefakte aus der Bronzezeit. Sofort war klar: In Sem hat sich die Geschichte vieler Jahrhunderte verdichtet zu einem Ort, der geradezu nach archäologischer Aufarbeitung schreit.

König Christian IV. ließ dort standesgemäß auftischen

Einige der vor fast 10 Jahren gefundenen Gegenstände – ein fein verzierter Messergriff und eine Gabel – wurden inzwischen König Christian IV. zugeordnet, der von 1588 bis 1648 über Dänemark und Norwegen herrschte. Und der sich offenbar mehrmals auf dem königlichen Gut in Sem aufhielt.

„Er muss sich dort sehr wohl gefühlt haben, denn wir haben so viele Reste von Tierknochen, Muscheln, Austern und sonstiges gefunden, was ein Adliger gerne gegessen hat“, teilte nun Christian Løchsen Rødsrud mit, Archäologe und Leiter der gerade stattfindenden Ausgrabungen.

„Wir befinden uns hier an einem Ort der Macht“, so Løchsen Rødsrud weiter, was durch die neueste Entdeckung umso mehr zum Tragen kommt – die einst tief im Boden verankerten Überreste eines riesigen Langhauses in wikingertypischer Bauweise.

So offenbart die Stätte eine Reihe von Gruben, in denen vor Jahrhunderten die schweren Stützpfosten des Hauses steckten. „Obwohl es sich hierbei um ein übliches archäologisches Merkmal handelt, sind die Proportionen ganz anders“, sagt Løchsen Rødsrud.

Sem Norwegen Lage
Die ungefähre Lage der Gemeinde Sem in Südnorwegen. (Eigene Darstellung / Wikipedia)

Bei dem Gebäude scheinen die Seitenwände das Dach zu tragen. Der Abstand zwischen den beiden Hauptwänden beträgt rund neun Meter, was in Forscherkreisen als durchaus bemerkenswerte Spannweite angesehen wird.

Hinzu kommt: Entlang der Längsseiten wurden weitere Pfosten gefunden, die auf zusätzliche Wände hinweisen. Die Archäologen vermuten, dass sie zur Verstärkung der dachtragenden Wände einerseits abgeschrägt waren und andererseits Raum für so etwas wie begehbare Seitenschiffe boten.

Die sehr spannende Frage: Wikingerhaus oder Vorläufer von Wikingerhäusern?

Die große Frage lautet nun, zu welcher Epoche das Ganze gehört. „Wir sind sehr gespannt, wohin das Gebäude historisch genau passt“, sagt Løchsen Rødsrud. „Es ist definitiv ein außergewöhnlicher Bau, und wir haben noch nicht alles ausgegraben.“

In jedem Fall gleicht die Konstruktion einer Bauweise, wie sie von den dänischen Wikingerfestungen bekannt ist. Die Bautechnik ermöglichte breite und hohe, mitunter zweistöckige Gebäude, was exemplarisch aus historischen Darstellungen hervorgeht.

Allerdings haben die Archäologen in den Pfostenlöchern auch Keramik gefunden, die aus der früheren Eisenzeit zu stammen scheint. Möglicherweise steht dies im Zusammenhang mit Essgelagen, die in dem Bau abgehalten wurden.

„Wenn diese Scherben nicht zufällig oder aus unbekannten Gründen dort gelandet sind, wäre das Haus eventuell viel älter als aus der Wikingerzeit. In diesem Fall hätten wir eine noch größere Sensation“, schätzt Løchsen Rødsrud, da man es dann mit Vorläufern der Wikingerkultur zu tun hätte.

Um dies exakt zu klären, müssen die Archäologen noch die Datierung der bei der Ausgrabung gesammelten Kohlefragmente und Samen abwarten. So oder so: Die Stätte in Sem wird noch für eine Menge Wirbel sorgen – in der Fachwelt und darüber hinaus.

Hintergrund: Das Areal wurde vor den Grabungen in kleine Abschnitte unterteilt. „Wir haben eine gute Zusammenarbeit mit bestimmten Metalldetektor-Verbänden, die wissen, wie wir arbeiten“, sagt Jes Martens, Archäologe am Kulturhistorischen Museum.

Früher sei das Verhältnis zwischen Amateur-Metalldetektoren und Archäologen eher angespannt gewesen, sagt er, „aber in den letzten Jahren ist es positiver geworden. Sie sind eine Ressource, die sich uns zur Verfügung stellt.“

Und weiter: „Wenn diese Ressource richtig eingesetzt wird, verbessert sie unser Wissen über die Vorgeschichte erheblich“, wird der Archäologe bei Science Norway zitiert. Mit den modernen Metalldetektoren würden heute Entdeckungen gemacht, die noch vor 10 bis 15 Jahren unmöglich gewesen wären.

Unser Geographie-Quiz: Norwegen und seine Landschaft

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