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„Nie für möglich gehalten“

Schlummert in Myklebust Norwegens wichtigstes Wikingerschiff?

Vor 150 Jahren entdeckte der junge Archäologe Anders Lorange den Myklebust-Grabhügel in Norwegen und legte dabei Spuren eines massiven Wikingerschiffs frei. Jetzt sind Forscher mit neuer Technik an den Ort zurückgekehrt, um bislang ungeklärte Fragen zu beantworten. Waren etwa alte Annahmen zu klein gedacht?


Bilder 1 bis 5: Universität Bergen / Jan Magnus Weiberg-Aurdal (Norwegische Direktion für Kulturerbe)

Als im 19. Jahrhundert Anders Lorange den Hügel ausgrub, fand er mehr Schiffsnieten, als er transportieren konnte. Es gelang ihm, etwa 700 davon mitzunehmen: aus damaliger und heutiger Perspektive sichere Anzeichen für eine sprichwörtlich „große“ Entdeckung.

„Die Chance zu haben, einen so bemerkenswerten Fund wie das Myklebust-Schiff an einem so zentralen Ort der Wikingerzeit auszugraben, hätte ich nie für möglich gehalten“, sagt Morten Ramstad, Projektleiter der Ausgrabung und Leiter der Abteilung für Kulturerbe-Management der Universität Bergen.

Ihn und sein Team eint nicht weniger als die Erkenntnis, dass dort im Boden das größte jemals in Norwegen gefundene Wikingerschiff schlummert. „Wir haben Materialien sichergestellt, die uns bald eine solidere Grundlage für Schlussfolgerungen bieten werden“, schätzt Ramstad.

Insgesamt wurden in dem Grabhügel inzwischen über 1.300 Nieten gefunden. Und es fällt auf, dass sich die neu entdeckten Schiffsnieten in einem viel besseren Zustand befinden, als es 1874 bei der ersten Ausgrabung von Anders Lorange der Fall war.

Außerdem können moderne Analysemethoden natürlich ganz andere Erkenntnisse liefern als zu Loranges Zeiten. Ramstad jedenfalls schätzt, dass bisher nur etwa ein Viertel des Hügels analysiert wurde. Ergo könnte die Gesamtzahl der in diesem Schiff verwendeten Nieten 5.000 locker übersteigen.

„Wir kennen keine anderen Schiffsgräber, die eine Feuerbestattung beinhalten“

„Diese Nieten werden uns entscheidende Informationen über den Schiffstyp, seine Länge und seine Funktion liefern. Sie sind der Schlüssel zu einem neuen Verständnis dieses Schiffes, in dem vor über 1.200 Jahren ein Wikinger-Häuptling begraben wurde“, schildert Ramstad.

Aber nicht nur eine riesige Anzahl von Schiffsnieten, auch Dutzende Schildbuckel konnten Lorange im 19. Jahrhundert und nun das Team um Ramstad in der Grabstätte bergen. Schildbuckel sind bekanntlich der zentrale Teil des Schildes, an dem der Griff befestigt war.

Dieser Teil ist in der Regel das einzige Stück, das erhalten bleibt, da der Rest des Schildes aus Holz verrottet. Oder eben verbrennt, wie in diesem Fall. Denn besonders ist das Myklebust-Schiff nicht nur aufgrund seiner offensichtlichen Größe, sondern auch aufgrund seiner Einäscherung.


(Video zum Nachbau des Myklebust-Schiffs. Gut möglich, dass es mit ca. 30 Metern etwas zu kurz geraten ist.)

„Wir kennen keine anderen Schiffsgräber, die eine Feuerbestattung beinhalten. Das macht Myklebust einzigartig unter den wikingerzeitlichen Schiffsgräbern“, sagt Ramstad – übrigens auch im Vergleich zu den weltbekannten Gokstad- und Oseberg-Funden.

Anhand bio-chemischer Spuren lässt sich in den kommenden Wochen die Jahreszeit bestimmen, in der die Bestattung stattfand. Ob das Schiff vor Ort oder an anderer Stelle als der Grabstätte verbrannt wurde, dürfte dann ebenfalls geklärt sein. Äußerst spannend.

Zudem haben Georadar-Untersuchungen auf das wahrscheinliche Vorhandensein weiterer Gräber innerhalb des Myklebust-Hügels hingewiesen. In der Umgebung haben die Archäologen daneben noch andere Gräber und Spuren einer Siedlung aus der Wikingerzeit entdeckt.

Ziel Nummer 2: das Wikingererbe Norwegens auf die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes hieven

Die nun anwesenden Archäologen haben aber auch einen weiteren Punkt von Loranges Forschung bestätigt, mithilfe von Georadaruntersuchungen. Und zwar seine Theorie, dass es rund um den Hügel zwei Brücken und einen etwa vier Meter breiten Graben gab.

Ramstad und seine Kollegen fragen sich allerdings, welche Funktion der Graben wohl hatte. „Der Hauptzweck bestand wahrscheinlich darin, Baumaterial für den Hügel bereitzustellen. Aber er ließ den Hügel zweifelsfrei auch imposanter erscheinen“, mutmaßt der Ausgrabungsleiter.

„Dies war ein Tor zum Reich der Toten, und es muss ein spektakulärer Anblick gewesen sein, wenn vier Meter Wasser den Hügel umgaben“, sagt er. Die Ausgrabung des Myklebust-Hügels soll übrigens auch dazu dienen, das Wikingererbe Norwegens auf die vorläufige Liste des UNESCO-Weltkulturerbes zu hieven.

Norwegen hatte dies bereits früher versucht, aber der Antrag wurde abgelehnt. Der Grund ist simpel, denn Wikingerschiffe wie Gokstad und Oseberg konnten nicht in die begehrte Liste aufgenommen werden, da sie in Museen ausgestellt sind und nicht mehr am Originalplatz weilen.

Das wiederum verleiht den aktuellen Ausgrabungen am Myklebust-Hügel eine ganz besondere Note. Durch den ursprünglichen, nicht musealen Standort ist die Stätte im Sinne der UNESCO nämlich förderfähig. Man muss nur noch überzeugen – am besten mit einer Vielzahl von physischen Beweisen.

Hintergrund: Bei Ausgrabungen am Gokstad-Schiff wurden über 3.000 Nieten entdeckt – und es ist insgesamt 23 Meter lang. Das bislang längste Wikingerschiff, das die Forschung kennt, wurde im dänischen Roskilde entdeckt. Es maß 36 bis 37 Meter.

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