Müssen Devon und Cornwall archäologisch neu gedacht werden?
England: Neu entdecktes Römer-Wegenetz könnte zu unbekannten Siedlungen aus der Antike führen
Archäologen der Universität Exeter haben mithilfe von Laserscans ein riesiges römisches Straßennetz entdeckt, das sich über die Grafschaften Devon und Cornwall erstreckte. Doch nicht nur der Fund selbst, auch die Lage gilt in Expertenkreisen als faustdicke Überraschung.
„Trotz mehr als 70 Jahren Forschung zeigten alle veröffentlichten Karten des römischen Wegenetzes im Süden Großbritanniens übereinstimmend, dass es westlich von Exeter keine Belege für ein System von Fernstraßen gab“, kommentierte Dr. Christopher Smart die frischen Untersuchungsergebnisse.
Mithilfe der neuesten Forschung im Rahmen des nationalen LiDAR-Programms der Umweltbehörde sei es gelungen, „unser Verständnis des römischen Straßennetzes“ mit Blick auf die südwestlichen Grafschaften – die ehemalige Region Dumnonii – fundamental zu erweitern, so Smart weiter.
Die neue Kartierung zeigt nicht nur das Wegenetz, sondern gibt auch Hinweise auf frühere Verbindungen zu Siedlungen und militärischen Anlagen. Es scheint also, als müsse man sich den Südwesten Englands aus römischer Perspektive noch einmal völlig neu ansehen.
Beispielsweise legen die vorliegenden Ergebnisse den Schluss nahe, dass nicht Exeter Endpunkt und alleiniges Nervenzentrum des römischen Wegeverkehrs im Südwesten war, sondern in der Gemeinde North Tawton wahrscheinlich einen fast ebenbürtigen „Mitspieler“ hatte.
Erhebliche Auswirkungen auf künftige archäologische Untersuchungen in der Region
Strategisch sinnvoll und wichtig war North Tawton vor allem deshalb, weil man ab hier gute Verbindungen zu den Gezeitenmündungen sowohl nördlich als auch südlich von Bodmin und Dartmoor hatte. Nur: Bislang gaben die Kartierungen dies nicht her.
Laut der Studie, die im Journal of Computer Applications in Archaeology veröffentlicht wurde, diente das Straßennetz in erster Linie dazu, den reibungslosen Transport von Zugtieren zu ermöglichen und überschwemmungsgefährdete Gebiete zu umgehen.
Die Autoren weisen darauf hin, dass diese Erkenntnisse erhebliche Auswirkungen auf künftige archäologische Untersuchungen in der Region haben dürften. Denn klar: Auch die Wege Roms hatten Vorgänger, sie wurden bewacht, an ihnen wurde gehandelt, gefochten und so weiter und so fort.
„Was die Chronologie betrifft, ist es wahrscheinlich, dass das nun entdeckte Netz eine Mischung aus prähistorischen Wegen, römischen Militärstraßen und solchen Wegen war, die offiziell als Teil des provinziellen Kommunikationssystems und in Friedenszeiten rein zivilen Zwecken dienten“, schätzt Dr. João Fonte, der wie Kollege Smart Spezialist für Landschaftsarchäologie und das Erbe des Römischen Reiches ist.
Intelligenter Lückenschluss durch archäologisches Vorhersagemodell
Das nationale LiDAR-Programm (Light Detection and Ranging) wurde zwischen 2016 und 2022 von der Umweltbehörde für ganz England durchgeführt. Dadurch konnte der Anteil des kartierten Geländes in Devon und Cornwall, der zuvor bei lediglich 11 Prozent lag, deutlich erweitert werden.
Anhand der Datenauswertung gelang es dem Archäologen-Team aus Exeter, rund 100 zusätzliche Straßen- und Wegekilometer aus der römischen Zeit klipp und klar zu identifizieren. Jedoch blieb das Ergebnis zunächst fragmentarisch und schemenhaft.
Um diese Lücken zu einem schlüssigen Gesamtbild werden zu lassen, entwickelte das Team schließlich ein Vorhersagemodell auf Basis geografischer Detaildaten. Ziel war es, einen intelligenten Lückenschluss für die weitere Forschung bereitzustellen. Faszinierend, es scheint geglückt zu sein.
Vor allem der Ausblick macht aus archäologischer Sicht Freude: „Die Modellierung könnte dazu dienen, die Lage von antiken Siedlungen vorherzusagen, die uns noch völlig unbekannt sind“, sieht Dr. Smart reichlich Potenzial für Neues in einem Gebiet, das bis zuletzt niemand auf der Rechnung hatte.