Grußwort an die Nachwelt
Spektakulärer Fund im Fund: Flaschenpost in Wikingergrab entdeckt
Einen fast schon unglaublichen Fund im Fund haben diese Woche Archäologen des Universitätsmuseums Bergen verkündet. Demnach hat das Team, das gerade Ausgrabungen am berühmten Myklebusthaugen-Grabhügel in Nordfjordeid durchführt, eine in dem Wall versteckte Flaschenpost gefunden.
Bilder 1 bis 6: Jan Magnus Weiberg-Aurdal / Riksantikvaren
Sie stammt… von dem Archäologen Anders Lorange, der den Grabhügel 1874 öffnen ließ und bei Abschluss seiner Arbeit offenbar den Wunsch hatte, seiner wissenschaftlichen Nachwelt eine kurze Grußbotschaft zu hinterlassen.
Der ziemlich genau 150 Jahre alte Brief enthält sowohl praktische Informationen als auch eine versteckte Liebeserklärung an seine damalige Freundin. Also mal ganz was anderes als die Schiffsnieten und sonstige Artefakte aus der Wikingerzeit, mit denen das Team eigentlich rechnen durfte.
„Dieser Grabhügel wurde Anno Domino 1874 ausgegraben von Anders Lorange, Antiqvarius Norvegiæ. Der Grabhügel ist über gefallenen Männern aufgehäuft. Sie wurden mit Waffen und Schmuck in ihrem Schiff verbrannt“, eröffnete er sein Schreiben.
Zuvor war Anders Lorange im Oktober 1874 von Bergen nach Nordfjordeid gesegelt, um die Grabhügel von Myklebust zu untersuchen. Den größten von ihnen öffnete er und fand im Untergrund die verbrannten Überrreste eines Wikingerschiffs von beträchtlicher Größe.
Das Gefäß war mit verbrannten Überresten des Wikinger-Häuptlings gefüllt
Hinzu kamen Waffen und andere Ausrüstungsgegenstände. Vor allem aber weckte im Nachgang der Ausgrabung ein Bronzegefäß sein Interesse, von dem später bekannt wurde, dass es irgendwann im 8. Jahrhundert aus einem Kloster oder einer Kirche in Irland gestohlen worden war.
Das Gefäß war mit den verbrannten Überresten eines Wikinger-Häuptlings und seiner persönlichen Ausrüstung gefüllt. Bis heute gilt der Fund als archäologische Sensation. Und beim Schließen der Stätte hinterließ Anders Lorange dann eben seine Flaschenpost.
„Es ist unglaublich spannend und überraschend, eine solche Zeitkapsel mit einer 150 Jahre alten Botschaft des ersten Archäologen vor Ort zu finden. Solche Ereignisse erzählen uns viel über die lange wissenschaftliche Tradition, in der wir stehen“, sagt Margareth Hagen, Rektorin der Universität Bergen.
(Video zum Nachbau des Myklebust-Wikingerschiffs)
In der Flasche befanden sich neben dem Brief noch die Visitenkarte von Anders Lorange und fünf Münzen. Der Begründer der Myklebusthaugen-Forschung listete unter anderem auf, was er in dem Hügel gefunden hatte: „Von Schilden waren 26 eingedrückt, von Schwertern 2, eine Axt und viele Pfeile – neben vielen anderen Altertümern. Der Fund wird dem Bergen Museum übergeben.“
Hatte Lorange den Überblick über die gefundenen Artefakte verloren?
Projektleiter und Archäologe Morten Ramstad findet es interessant, dass Anders Lorange das Bronzegefäß mit den sterblichen und unsterblichen Überresten des Wikinger-Häuptlings in seinem Schreiben unerwähnt ließ. Auch bei der Zahl der geborgenen Artefakte lag er alles andere als richtig.
„Dies zeigt uns, dass Lorange zwar der Archäologe des Museums war, aber nicht die eigentliche Ausgrabung durchführte. Dies wurde von den örtlichen Landarbeitern erledigt. Deshalb hatte er wahrscheinlich auch keinen vollständigen Überblick, als er die Flasche in den Hügel einbrachte.“
Am Ende des Briefes hat Anders Lorange noch eine persönliche Botschaft in einer nicht ganz korrekten Runenschrift verfasst. Als Morten Ramstad Experten für Runenschriften hinzuzog, hatten diese Mühe, das Geschriebene zu entziffern.
„Schließlich wurde uns klar, dass Lorange keine Runen kannte und den Satz einfach direkt mit dem jüngeren Runenalphabet übersetzt hatte. Also übersetzten wir ihn mit „Emma Gade, meine Freundin“. Exakt jene Emma Gade, die später seine Frau werden sollte.
Hintergrund: Der Myklebust-Hügel ist das einzige bekannte Brandgrab dieser Art in Skandinavien, wurde aber im Schatten der Wikingerschiffsgräber von Gokstad (1880 ausgegraben) und Oseberg (1904) fast vergessen. Dabei zeigt sich aktuell, wie spektakulär auch dieser Fund war und ist.
Anhand der Zahl der dort gefundenen Nieten steht im Raum, dass im Myklebusthaugen das größte bekannte Wikingerschiff Norwegens vergraben sein könnte. Daneben wurden reichhaltige Siedlungsspuren rund um den Hügel gefunden. Kurzum: Da geht noch was.
„Es ist Loranges Arbeit von 1874 zu verdanken, dass wir Myklebusthaugen für eine mögliche zukünftige Nominierung zum UNESCO-Welterbe ausgewählt haben. Die Tatsache, dass wir auch eine Flaschenpost von ihm gefunden haben, ist ein wirklich lustiger Bonus“, sagt Hanna Geiran, National Heritage Officer.