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„Charles Darwin wäre begeistert“

600 Mio. Jahre: Forscher finden wohl älteste „moderne“ Lebensform

Ein Forscherteam hat in Finnmark, der nördlichsten Provinz Norwegens, möglicherweise Antworten auf die Frage gefunden, was mit den ersten tierähnlichen Organismen geschah, als sich unser Planet vor über 600 Millionen Jahren in einen tiefgefrorenen „Schneeball“ verwandelte.

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Das erste „tierische Leben“ hatte nicht viel gemeinsam mit heutigen Lebensformen. (Illustration: Mighty Fossil / University of Oxford)

Konkret geht es um Fossilien, die den Anfang dessen markieren dürften, was die Menschheit heute als irdisches Leben definiert. Die Finnmark ist damit einer der wenigen Orte weltweit, an denen man organische Spuren findet, die mehrere Hundert Millionen Jahre alt sind.

Die Geologin Anette Högström vom Arktischen Universitätsmuseum in Tromsø führt das Forschungsteam, das seit Jahren in dieser Region tätig ist. „Für so etwas gibt es tatsächlich einen Markt“, sagt sie unter Verweis auf die strikte Geheimhaltung der genauen Fundorte. Ihre Sorge gilt Fossilienjägern.

Fachlich untersuchen Anette Högström und ihr Team sogenannte eukaryotische Mikroorganismen, die vor Jahrmillionen im flachen Meer lebten. Diese Lebewesen gelten als Vorläufer der ersten Tiere und Pflanzen, wie wir sie heute kennen.

Die Erde war vor 720 und 650 Millionen Jahren womöglich zweimal schockgefrostet

Blick zurück: Die Erde durchlief mehrere Eiszeiten, von denen eine – die sogenannte „Schneeball-Erde“ – wohl maßgeblichen Anteil am weiteren Verlauf der Dinge hatte. Denn womöglich vermochte sie es, die Erde gleich zweimal komplett schockzufrosten: vor etwa 720 und vor 650 Millionen Jahren.

Anette Högström und ihre Kollegen fanden Fossilien aus dieser Zeit und vermuten, dass das Leben in dieser extremen Periode durch Bakterien ersetzt wurde. Cyanobakterien, die Vorläufer heutiger Blaualgen, scheinen geeignet, solche Bedingungen zu überstehen.

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Zwei der Fossilien, die in der Finnmark gefunden wurden – entstanden „kurz“ nach der Schneeball-Erdperiode. (Foto aus Heda Agić et al, 2023)

In einer neuen Studie, veröffentlicht in der Fachzeitschrift „Paläographie“, berichten Anette Högström und ihr internationales Team von den Entdeckungen aus der nördlichen Finnmark, die durchaus als Sensation bezeichnet werden dürfen.

Die Meinungen über Leben und Überleben auf dem „Schneeball“ gehen auseinander

Zu den Funden gehören nicht nur die ältesten bekannten Spuren von mehrzelligem Leben, sondern auch Fossilien von fortgeschritteneren Organismen, die Hinweise auf die Entwicklung von Tieren und Pflanzen geben. Die Forscher fanden außerdem Kratzspuren von hoch entwickelten Arthropoden (Gliederfüßer).

Die Meinungen über Leben und Überleben während der Schneeball-Ereignisse gehen jedoch auseinander. Einige Forscher glauben, dass das Leben die extreme Witterung irgendwie überdauerte. Andere wiederum glauben, dass sich das Leben nach den genannten Eiszeiten völlig neu entwickeln musste.

Anette Högström betont, dass weitere Untersuchungen nötig sind, um genau zu verstehen, was vor über 600 Millionen Jahren hoch im Norden von Norwegen und anderswo geschah. „Vielleicht können wir Antworten auf solche Fragen hier in der Finnmark finden“, teilte die Wissenschaftlerin gegenüber Science Norway mit.

Hintergrund: Das Leben auf der Erde entstand vor 3,5 bis 4 Milliarden Jahren, wobei es sich zu dieser Zeit ausschließlich um Einzeller handelte. Die meisten dieser Organismen waren Bakterien, wovon einige auch in extremen Umgebungen „lebensfähig“ waren.

Diese Mikroorganismen, Archaeen genannt, könnten die Vorläufer der eukaryotischen Organismen sein. Dann, vor 800 bis 600 Millionen Jahren, trat erstmals mehrzelliges Leben auf den Plan. Leben also mit spezialisierten Zellen, die verschiedene Aufgaben erfüllen konnten. Komplexes Leben sozusagen.

Aber hat es den „Schneeball“ überlebt? Oder eben nicht? Das ist die Frage, um die es geht. „Charles Darwin wäre begeistert gewesen, wenn er die Möglichkeit gehabt hätte, mit seiner Beagle nach Finnmark zu segeln, um diese Funde zu sehen“, heißt es in einem Text der Forscher.

Unser Geographie-Quiz: Norwegen und seine Landschaft

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