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Buch enthüllt koloniale Gewaltgeschichte

„Krankes Stück Geschirr“: Oxford-Wissenschaftler tranken aus einem menschlichen Schädel

Jahrzehntelang tranken Wissenschaftler des Worcester College in Oxford bei formellen Anlässen aus einem Becher, der aus einem menschlichen Schädel gefertigt war. Das enthüllt der Archäologe Prof. Dan Hicks in seinem neuen Buch „Every Monument Will Fall“, das sich mit der gewalttätigen Kolonialgeschichte geplünderter menschlicher Überreste auseinandersetzt.

Worcester College Oxford
Die Schädelschale wurde bis 2015 regelmäßig bei formellen Abendessen im Worcester College in Oxford genutzt. (Andrew Shiva / CC BY-SA 4.0)
Der makabre Kelch – ein durchgesägter und polierter Schädel, eingefasst mit Silber und auf einem Ständer montiert – wurde laut Hicks bis 2015 bei offiziellen Abendessen im College eingesetzt. Als der Becher zu lecken begann, wurden darin sogar Pralinen serviert.

Wachsendes Unwohlsein unter Mitgliedern und Gästen beendete schließlich die Nutzung des Schädels. 2019 beauftragte das College Hicks mit der Aufarbeitung seiner Herkunft. Er spricht von einem „kranken Stück Geschirr“ und zeigt auf, wie koloniale Gewalt nicht nur prominente Täter verewigt habe, sondern vor allem die Identität der Opfer systematisch ausgelöscht worden sei.

Der Schädel einer Frau

Wer der Mensch war, dessen Schädel für den Becher verwendet wurde, ließ sich nicht ermitteln. Radiokarbondatierungen ergaben jedoch ein Alter von etwa 225 Jahren. Hinweise deuten darauf hin, dass der Schädel aus der Karibik stammt und möglicherweise einer versklavten Frau gehörte.

Die britischen Besitzer des Bechers sind hingegen gut dokumentiert: 1946 stiftete George Pitt-Rivers, ein ehemaliger Student und Unterstützer des Gründers der faschistischen Partei British Union of Fascists (BUF) Oswald Mosley, den Kelch dem Worcester College.

Imperiale Widerlichkeit

Pitt-Rivers‘ Großvater, der viktorianische Soldat und Archäologe Augustus Henry Lane Fox Pitt Rivers, hatte ihn 1884 bei Sotheby’s ersteigert. Ursprünglich war der Kelch auf einem Holzsockel montiert, der eine Münze aus dem Jahr der Krönung Königin Victorias enthielt.

Verkäufer war Bernhard Smith, ein Oxford-Absolvent und Sammler, dessen Vater in der Royal Navy in der Karibik gedient hatte.

Die Labour-Abgeordnete Bell Ribeiro-Addy, Vorsitzende der parlamentarischen Gruppe für Reparationsforderungen, nannte den Vorgang „widerlich“, wie der Guardian berichtet:

„Es ist kaum zu fassen, dass Professoren an einer Institution, die durch koloniale Gewalt reich wurde, aus den Überresten eines versklavten Menschen tranken.“

Ein Sprecher des Worcester College erklärte laut Guardian, das Gefäß sei im 20. Jahrhundert gelegentlich zusammen mit der Silbersammlung des Colleges ausgestellt und genutzt worden. Seit 2011 sei der Gebrauch jedoch stark eingeschränkt und das Objekt vor zehn Jahren vollständig entfernt worden.

Nach rechtlicher und wissenschaftlicher Beratung sei entschieden worden, den Schädelbecher respektvoll und dauerhaft unzugänglich im Archiv aufzubewahren.

Hicks‘ Buch beleuchtet auch weitere Fälle, in denen Schädel kolonialisierter Menschen von britischen Militärs wie Lord Grenfell von Schlachtfeldern geraubt und entweder als Trophäen in Privatbesitz gehalten oder Museen übergeben wurden.

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