Archäologischer Glücksfall der etwas anderen Art
England: „Tellergroße“ Wirbelstücke eines 150 Mio. Jahre alten Pliosauriers entdeckt – in Schublade von Museum
In der Regel müssen Archäologen ja mehr oder weniger tief im Boden graben, um historische Schätze zu heben. Dass es manchmal auch anders geht, zeigt dieser leicht schräge Fall, bei dem ein simpler Blick in eine Schublade genügte.
Was ist geschehen? Paläontologen der Universität Portsmouth haben im Abingdon County Hall Museum in Oxfordshire tatsächlich die versteinerten Knochenreste eines gigantischen Meeresbewohners entdeckt, der vor rund 150 Millionen Jahren lebte.
Die Überreste des Pliosauriers – mehrere Wirbel in Größe von Pflastersteinen – sind ursprünglich bei Ausgrabungen auf einem Bauernhof in der Nähe von Abingdon gefunden worden. Danach gerieten sie dann aus unbekannten Gründen aus den Augen, eigentlich kaum zu glauben.
Prof. David Martill und die Doktorandin Megan Jacobs entdeckten nun einen der Wirbel, als sie das Museum besuchten, um ein anderes Saurierskelett zu fotografieren. Megan Jacobs dazu: „David öffnete die Schublade und fand darin dieses riesige Wirbelstück – groß wie ein Teller.“
Und weiter: „Also haben wir uns den Fund direkt näher angeschaut und stellten fest, dass er nicht von einem Dinosaurier stammte, sondern von einem riesigen Meeresreptil.“ Zwischenzeitlich durchgeführte Scans ergaben, dass das Tier zu Lebzeiten bis zu 15 Meter lang war (s. Bild).
„Sie hatten keine Ahnung, dass diese Wirbel für diese Tierart gigantisch waren“
Der Museumskurator habe den beiden völlig perplexen Wissenschaftlern danach verraten, dass im Museum noch drei weitere Wirbel des Skeletts eingelagert waren. „Sie hatten wirklich keine Ahnung, dass die Wirbel für diese Art von Tier gigantisch sind“, schildert Megan Jacobs.
„Es hatte ein Maul voller bananengroßer Zähne. Im späten Jura hätte man in England nicht schwimmen gehen wollen“, so ihr augenzwinkernder Kommentar zu dem Fund, der die Fachwelt noch eine Weile beschäftigen wird. Eine Publikation zu dem Fall ist diese Woche in ScienceDirect erschienen.
Der Pliosaurier muss vor ziemlich exakt 145 bis 152 Millionen Jahren in den Gewässern unterwegs gewesen sein, die Oxfordshire zu dieser Zeit bedeckten. Dabei dürfte er sprichwörtlich Angst und Schrecken verbreitet haben.
„Er stand eindeutig an der Spitze der marinen Nahrungskette und machte wahrscheinlich Jagd auf Ichthyosaurier, Plesiosaurier oder auch Krokodile“, schätzt Prof. David Martill. „Wir wissen, dass sie kleinere Meeresreptilien regelrecht massakrierten.“
Das zeigen beispielsweise Bisswunden in Ichthyosaurier-Knochen, die laut BBC in der Etches Collection in Dorset ausgestellt sind. Scheinbar hat ein simpler Blick in eine Schublade ausgereicht, um dieses Wissen zu vertiefen.