Aktuelle Studie liefert überraschende Erkenntnisse
Schweden: Sporttaucher hat womöglich älteste Schiffskanone Europas entdeckt
Ein Sporttaucher hat vor der schwedischen Westküste durch Zufall die wohl älteste Schiffskanone Europas entdeckt. Er war vor Marstrand in einer Tiefe von rund 20 Metern unterwegs, als auf einmal ein massives Stück Metall im Sediment auftauchte. Er dürfte ordentlich Puls bekommen haben.
Alle Bilder: Bo Niklasson / Bohusläns Museum
Dem Entdecker gelang es, das schwere Stück irgendwie an die Oberfläche zu bringen. Und als er die womöglich große historische Bedeutung erkannte, informierte er zunächst Archäologen in Göteborg, von wo aus das Artefakt in die Sammlungen des Bohusläns-Museums übergeben wurde.
Gut 20 Jahre später ist nun auch offiziell klar, wie groß der archäologische Glücksfall ist. Ein internationales Forschungsteam von Meeresarchäologen hat das Geschütz im Detail untersucht und herausgefunden: Es wurde im 14. Jahrhundert hergestellt und war kriegstauglich.
Zwar ist (noch) nicht bekannt, von welchem Wrack das als Vorderlader-Kanone klassifizierte Kampfgerät stammen könnte. Aber als gesichert wird in der im August veröffentlichten Studie angesehen, dass sie ein fester Bestandteil des Schiffes war – und nicht etwa Teil der Ladung.
Dafür spricht die Analyse der Pulverkammer, die dem Team um Staffan von Arbin von der Universität Göteborg zeigte: Die Waffe war geladen und kampfbereit, als sie auf dem Meeresboden landete. Und auch an anderer Stelle half das sichergestellte Pulver den Analysten sehr. Oder besser: noch mehr.
Kupferlegierung mit 14 Gewichtsprozent Blei und nur geringer Menge Zinn
„Dank der erhaltenen Reste der Ladung war es uns möglich, das Alter des Fundes mithilfe einer Radiokarbondatierung zu bestimmen“, teilte von Arbin vor wenigen Tagen in einem Pressestatement der Hochschule mit.
Und weiter: „Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass die Kanone aus dem Meer von Marstrand wahrscheinlich aus dem 14. Jahrhundert stammt – und damit eines der ältesten jemals in Europa gefundenen Geschütze ist.“
Die Forscher dokumentierten den Fund mit 3D-Scans und führten auch eine chemische Analyse des Metalls durch, aus dem die Kanone gegossen wurde. Die Untersuchung ergab, dass es sich um eine Kupferlegierung handelt, die etwa 14 Gewichtsprozent Blei und nur geringe Mengen an Zinn enthält.
Diese Legierung ist nach Ansicht der Forscher allerdings suboptimal für das Gießen von Kanonen. Dem Urteil zufolge wäre das Geschütz bei längerem Gebrauch wahrscheinlich rissig und unbrauchbar geworden. Auch das ein starkes Indiz dafür, dass die Technik hier noch ganz am Anfang stand.
„Die Person, die die Kanone gegossen hat, verfügte eindeutig nicht über das nötige Wissen und Verständnis, welche Eigenschaften von verschiedenen Kupferlegierungen am besten für den Kampf sind“, schildert von Arbin.
Produktion der Kanone „weitgehend nach dem Prinzip Versuch und Irrtum“
„Das zeigt uns, dass die hohe Kunst des Kanonengusses zu dieser Zeit noch nicht beherrscht wurde und die Produktion weitgehend nach dem Prinzip Versuch und Irrtum stattfand“, stellt der Forscher den Machern des Geschützes posthum ein eher gemischtes Zeugnis aus.
Die Analyse zeigt auch, woher die Bestandteile der Kanone kamen. Ein internationales Machwerk sozusagen, da das verwendete Kupfererz in der heutigen Slowakei abgebaut wurde, während das Blei wahrscheinlich aus England oder dem Grenzgebiet zwischen Polen und Tschechien stammte.
Trichterförmige Kanonen dieses Typs wurden bislang in der Regel dem 15. und 16. Jahrhundert zugeschrieben, sodass der Fund die Forschung auch hier eines Besseren belehrt hat. Zudem kam die Art der Pulverladung deutlich früher zum Einsatz, als bislang für möglich gehalten wurde.
„Jetzt wollen wir natürlich auch versuchen, das Schiff zu finden, zu dem die Kanone gehörte. Obwohl es wahrscheinlich zerbrochen und zerfallen ist, sollte es möglich sein, verstreute Überreste des Wracks zu finden“, blicken von Arbin und sein Team auf spannende Wochen und Monate.
Hintergrund: Im 14. Jahrhundert war Marstrand, berühmt für seinen eindrucksvollen Hafen, ein wichtiger Knotenpunkt für den Handelsverkehr zwischen Westeuropa und dem Ostseeraum. Das machte die Küste immer wieder auch zum Schauplatz von Gefechten – und Überfällen aller Art.
Insofern passt ins Bild, dass man in der Region bereit war, waffentechnologisch neue Wege zu gehen. Über weitere oder bereits laufende Ausgrabungen am Meeresgrund ist bislang nichts bekannt. Hier der Link zur aktuellen Studie.