Neuartige DNA-Analyse brachte Gewissheit
England: Überreste einer wohl mächtigen Kriegerin bei Grabfund auf Scilly-Inseln geborgen – 2000 Jahre alt
Mann oder Frau? Um diese einfache Frage kreisten zuletzt alle archäologischen Untersuchungen, die ein mysteriöser Grabfund auf den Scilly-Inseln vor der Küste von Cornwall nach sich zog. Nun ist klar: Die geborgenen Überreste stammen von einer vor rund 2000 Jahren beigesetzten Kriegerin.
Foto 1: Mann oder Frau? Das Schwert und der Spiegel aus der Grabstätte. (Historic England Archive)
Foto 2: Die bereits 1999 entdeckte Grabstätte von Bryher (Isles of Scilly). (Isles of Scilly Museum Association)
Foto 3: Die menschlichen Überreste, die im Grab gefunden wurden – insgesamt 150 Gramm. (Historic England Archive)
Foto 4: Luftbild der Scilly-Inseln mit St. Martin’s in der Mitte links. Tresco und Bryher im Hintergrund. (Historic England Archive)
Letztlich war es eine DNA-Analyse von Zahnschmelz, die das Rätsel lösen konnte. Ein Rätsel, das die beteiligten Forscher nun schon seit Jahren beschäftigt hat. Konkret seit 1999, als Archäologen auf Bryher eine mit Steinen ausgekleidete Grabkammer entdeckt hatten.
Darin enthalten waren die sterblichen Überreste einer einzigen Person und eine Reihe von Artefakten, die bei den nachfolgenden Untersuchungen sowohl mit dem männlichen als auch dem weiblichen Geschlecht assoziiert wurden.
Gefunden wurden ein Schwert in einer Scheide aus einer Kupferlegierung und ein Schild (männlich). Gefunden wurden aber auch ein Bronzespiegel mit einem Sonnenscheibenmotiv und eine spezielle Fibel, was klar der weiblichen Seite zugeordnet wurde.
Hinzu kommt, dass es für diese Konstellation in Westeuropa keine archäologischen Vorerfahrungen gab und gibt. Konkret: Es ist das einzige eisenzeitliche Grab, in dem sich sowohl ein Spiegel als auch ein Schwert fanden. Das perfekte Rätsel sozusagen.
Nun hat eine wissenschaftliche Studie unter der Leitung von Historic England ergeben, dass es sich tatsächlich um die Überreste einer Frau handelt, was wiederum völlig neue Einblicke in jene Zeit um Christi Geburt gewährt. Möglicherweise auch über die betreffende Region hinaus.
Physische Gewalt zwischen lokalen Gemeinschaften stand vermutlich an der Tagesordnung
Denn es war eine Zeit, in der physische Gewalt zwischen den lokalen Gemeinschaften vermutlich Teil des Alltags war. Welche Rolle dabei weibliche Krieger gespielt haben, ist allerdings noch offen. Das macht die neuen Erkenntnisse umso wichtiger.
Erste Versuche, das Geschlecht zu bestimmen, waren noch am starken Zerfall gescheitert. Letztlich war alles, was von dem Skelett übriggeblieben war, ein dunkler Fleck – allerdings flankiert durch kleinste Knochenstücke und Zähne, die im Gesamtumfang von etwa 150 Gramm geborgen werden konnten.
Es brauchte also neue Analyseverfahren, und diese bot die Universität von Kalifornien in Davis mit einer Methode zur Geschlechtsbestimmung mithilfe von Zahnschmelz-DNA. Dr. Glendon Parker, Professor in der Abteilung für Umwelttoxikologie an der UC Davis, dazu:
„Der Zahnschmelz ist die härteste und beständigste Substanz im menschlichen Körper. Er enthält ein Protein, das entweder mit dem X- oder dem Y-Chromosom verbunden ist, was bedeutet, dass es zur Bestimmung des Geschlechts verwendet werden kann.“
Bei den Analysen seien Spuren von Proteinen aus winzigen Stücken des überlebenden Zahnschmelzes extrahiert worden. „So konnten wir eine 96-prozentige Wahrscheinlichkeit berechnen, dass es sich um ein weibliches Individuum handelt“, sieht der Forscher den Beweis de facto erbracht.
„Beweis für die führende Rolle einer Frau in der Kriegsführung auf den Scilly-Inseln“
Doch welche Rolle könnte die Kriegerin in ihrer Gemeinschaft eingenommen haben? Gar eine dominante? „Ja“, sagt Dr. Sarah Stark, Biologin bei Historic England, die in dem Fund einen „Beweis für die führende Rolle einer Frau in der Kriegsführung auf den Scilly-Inseln“ sieht.
„Obwohl wir die Symbolik von solchen Gegenständen nie vollständig verstehen können, deutet die Kombination von Schwert und Spiegel darauf hin, dass diese Frau einen hohen Status innerhalb ihrer Gemeinschaft hatte und eine Anführerin in der lokalen Kriegsführung war.“
Es sei beispielsweise vorstellbar, dass sie Angriffe auf rivalisierende Gruppen organisierte und an vorderster Front mit durchführte. So wird angenommen, der im Grab gefundene Spiegel könne zentral bei der Signalisierung, Kommunikation und Koordinierung von Angriffen gewesen sein.
Stark laut Guardian weiter: „Dies könnte darauf hindeuten, dass die Beteiligung von Frauen an Raubzügen und anderen Arten von Gewalt in der eisenzeitlichen Gesellschaft viel verbreiteter war, als wir bisher angenommen haben.“
Die Hauptform der Kriegsführung vor rund 2.000 Jahren dürften in einem Gebiet wie den Isles of Scilly Überfälle bzw. Überraschungsangriffe auf feindliche Siedlungen gewesen sein. Das Bryher-Schwert und der Spiegel sind im Isles of Scilly-Museum ausgestellt.
Hintergrund: Die Scilly-Inseln sind ein Archipel vor der Südwestspitze Englands, der aus insgesamt 200 Inseln besteht. In ihrer Gesamtheit steht die Inselgruppe als Area of Outstanding Natural Beauty unter Naturschutz. Die Siedlungsgeschichte reicht hier bis in die Mittelsteinzeit zurück (ab etwa 9.600 v. Chr.).