Karmøy Wiege der allerersten Könige?
Norwegen: Wikingerschiff in Grabhügel entdeckt – wahrscheinlich aus 8. Jh.
Mithilfe von Georadar haben norwegische Forscher im Grabhügel Salhushaugen auf der Insel Karmøy ein 20 Meter langes Wikingerschiff entdeckt. „Ein absolut spektakulärer Fund“, teilte Håkon Reiersen vom Archäologischen Museum der Universität Stavanger mit.
Bild 1: Die Signale der Georadar-Messungen zeigen das schiffsförmige Muster. (Museum für Archäologie, Universität Stavanger)
Bild 2: Die Untersuchungen fanden im Juni 2022 auf der Insel Karmøy statt – und wurden seither wegen des Fundes geheimgehalten. (Museum für Archäologie, Universität Stavanger)
Bild 3: Die drei wikingerzeitlichen Schiffsgrabhügel auf Karmøy mit den bisher bekannten Datierungen. (Museum für Archäologie, Universität Stavanger)
Bild 4: Das Storhaug-Schiffsgrab auf Karmøy, wie es im Jahr 779 ausgesehen haben könnte. (Illustration: Eva Gjerde / Museum für Archäologie, Universität Stavanger)
Bild 5: Die Vermessung von Stätten mit Georadar hat in den letzten Jahren viele interessante Funde hervorgebracht, darunter auch Wikingerschiffe. (Museum für Archäologie, Universität Stavanger)
Hinzu kommt: Bislang galt der Hügel als „leer“, was auf Erkenntnisse einer negativ verlaufenen Ausgrabung zurückreicht, die dort vor über 100 Jahren stattfand. Lediglich einige Pfeilspitzen und Holzfragmente hatten die Forscher um Haakon Shetelig 1906 und 1912 im Hügel finden können.
„Danach wurde mit dem Areal nicht mehr viel gemacht“, schilderte Reiersen. Der Hügel galt fortan als archäologisch irrelevant, was sich nun als fast tragische Fehleinschätzung erwiesen hat. Klar ist: Das Team um Shetelig hätte einfach nur tiefer graben müssen.
Vor rund einem Jahr, im Juni 2022, beschloss man dann am archäologischen Institut der Uni Stavanger, dem Hügel samt umliegenden Bereichen noch eine Chance zu geben. Also wurde der Boden großflächig mit Georadar abgetastet bzw. kartiert.
Die neuen Georadar-Ergebnisse aus Karmøy wurden monatelang geheimgehalten
Von Vorteil ist dabei natürlich gewesen, dass sich mit der Technologie Strukturen im Boden auch ohne Bagger und schweres Gerät aufspüren lassen. Und siehe da – die Forscher entdeckten in dem Jahrzehnte für uninteressant gehaltenen Hügel tatsächlich den Umriss eines Wikingerschiffs.
Monatelang haben die Archäologen aus Stavanger ihre Entdeckung danach geheimgehalten, um die Untersuchungen in Ruhe abschließen zu können. „Wir haben ein Jahr lang daran gearbeitet und sind zuversichtlich, was unsere Ergebnisse angeht“, sagte Reiersen vor wenigen Tagen.
Die wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu dem Projekt stehen zwar noch aus, aber die Daten aus den Georadaruntersuchungen sind laut Reiersen eindeutig. „Das Radar zeigt deutlich die Form eines 20 Meter langen Schiffes. Es ist ziemlich breit und erinnert an den Oseberg-Fund.“
Neben dem 22 Meter langen und 5 Meter breiten Oseberg-Schiff passt der aktuelle Fund – wohl auch zeitlich – noch zu einem anderen Wikingerschiff, das 1886 in Karmøy gefunden wurde: zum sogenannten Storhaug-Schiff aus dem späten 8. Jahrhundert (um 770 nach Christus).
Der jüngste Fund muss natürlich noch bestätigt und korrekt datiert werden, wenngleich laut den Experten schon jetzt viel für die späten 700er Jahre spricht. Im nächsten Schritt planen die Archäologen eine Ausgrabung zur Verifizierung des genauen Alters.
„Was wir bis jetzt gesehen haben, ist nur die Form des Schiffes. Wenn wir den Grabhügel öffnen, stellen wir vielleicht fest, dass nicht viel davon erhalten ist. Und dass es sich lediglich um einen Abdruck handelt“, stehen Reiersen und seinen Leuten weitere spannende Momente bevor.
Reiersens Theorie: Auf und um Karmøy lebten die allerersten Wikingerkönige
Wann genau die Ausgrabung an dem ehemals 50 Meter breiten und etwa 6 Meter hohen Hügel stattfinden kann, ist aktuell leider noch ungewiss. „Er war riesig“, bestätigt Reiersen, jedoch sei das meiste davon bei den Grabungen vor über 100 Jahren abgetragen worden.
„Aber es gibt noch ein Plateau, das normalerweise der spannendste Teil des Hügels ist“, schätzt Reiersen. „Wir glauben fest daran, dass es dort noch andere Dinge zu finden gibt.“ Womöglich auch Dinge, die eine recht plausible Theorie des Forschers erhärten.
(Wikingerzeitliche Impressionen aus Karmøy / Video von 2022 zur Avaldsnes Wikinger-Siedlung)
Denn: Laut Reiersen dürften die nun insgesamt 3 Wikingerschiffsgräber, die auf Karmøy gefunden wurden, den Beweis erbrigen, dass vor Ort und in der umliegenden Region womöglich die allerersten Wikingerkönige auf norwegischem Boden lebten.
Dafür spricht, dass weitere berühmte Schiffsgräber wie Oseberg und Gokstad auf das 9. Jahrhundert datiert wurden. Also deutlich später als alles, was man aus Karmøy bereits weiß und auch bei dem neuen Fund annimmt.
„Dies ist der Teil des Landes, in dem sich die Dinge in der frühen Wikingerzeit abspielten. Die skandinavische Schiffsgrabtradition wurde hier begründet und verbreitete sich dann in andere Teile Norwegens“, zitiert Science Norway den Forscher aus Stavanger. Womöglich gräbt er bald ein königliches Wikingergrab aus.
Karmøy ist auch für andere archäologische Funde bekannt, darunter Grabhügel aus der Bronzezeit oder das reich ausgestattete Flagghaug-Waffengrab (jüngere Römerzeit). Ältester Ort der Insel ist Avaldsnes, verbunden mit dem Festland ist Karmøy durch eine Brücke über den Karmsund.