Vor 7.000 Jahren genutzt, bestens erhalten
Norwegen: Wohl älteste Fischfallen Nordeuropas in leergelaufenem Bergsee ausgegraben
Bereits letzten Sommer wurden in den norwegischen Bergen zufällig vier steinzeitliche Fischreusen entdeckt, die laut Berechnung der Archäologen rund 7.000 Jahre alt sein dürften. Nun erwies sich die Ausgrabung als ein Wettlauf gegen die Zeit und das Wasser.
(Fotos: Ellen K. Friis / Kulturhistorisches Museum Oslo)
In den letzten Tagen gruben auf dem Grund des Bergsees Tesse im Jotunheimen-Gebierge, 850 Meter über dem Meer, Archäologen des Kulturhistorischen Museums in Oslo (KHM) ungewöhnlich schnell. Denn die entdeckten Fischreusen dürften schon in diesen Stunden wieder mit Wasser bedeckt sein.
Der Grund: Der See wird zunächst jedes Jahr zur Stromerzeugung entleert – füllt sich dann aber schnell wieder, wenn Schnee und Eis im Gebirge schmelzen. In einer dieser Trockenzeiten wurden die vier uralten Fischreusen im letzten Jahr von einem Wanderer entdeckt.
Sie bestehen aus langen Pfählen, die vor Tausenden von Jahren in den Seeboden gerammt worden sind. Sie bilden das Muster eines Zauns, der die Fische in eine Kammer geleitet hat. Von dort aus konnten die Fischer leicht ein Netz benutzen, um den Fang zu „ernten“. Eine perfekte Falle.
„Die Stangen sind am Ende spitz und wurden offensichtlich mit viel Kraft in den Boden getrieben“, sagt Axel Mjærum, Archäologe am KHM und Projektleiter der Ausgrabung. „Die spitzen Enden sind beschädigt, sodass wir sehen können: Es war wirklich harte Arbeit, sie einzuschlagen.“
„So gut erhalten, dass sie im letzten Jahr geschnitten worden sein könnten“
Jede der Reusenkammern bestand aus etwa 40 bis 50 Pfählen. Darunter fanden die Archäologen Überreste mit einer Länge von bis zu 80 Zentimetern. „Sie sind so gut erhalten, dass sie genauso gut im letzten Jahr geschnitten worden sein könnten“, schildert Mjærum.
In den norwegischen Bergen finden Archäologen meist Steinobjekte und Tierknochen aus solchen Epochen. Aber bearbeitetes Holz aus der Steinzeit ist bisher kaum darunter gewesen. Das machte den Fund für die Wissenschaftler umso wichtiger.
„Tatsächliche Spuren von Axtschlägen aus der Steinzeit sind etwas, was wir sonst in Norwegen fast nie finden“, hebt Mjærum die Bedeutung hervor. Womöglich können die Archäologen im nächsten Schritt sogar herausfinden, welche Art von Werkzeugen zur Bearbeitung verwendet wurde.
Aus früheren archäologischen Funden war bereits bekannt, dass der Bau von Fischreusen in diesem Stil eine uralte Tradition ist. Der Fund von Tesse ist nach Ansicht der Archäologen dennoch sehr bemerkenswert, weil er eben derart alt ist. Wahrscheinlich ist es sogar die älteste jemals in Nordeuropa ausgegrabene Fischreusenanlage.
„Es ist ein Fund, der uns nahe an die Steinzeitmenschen heranbringt. Wir werden erfahren, ob sie viele Jahre hintereinander dort waren und wie sie die Fallen gewartet haben. Das wird uns viele Erkenntnisse über das Leben in der Region liefern, die uns bisher fehlten“, sagt Mjærum.
Vor allem kamen die Steinzeitmenschen in die Berge, um Rentiere zu jagen
Nach vier intensiven Wochen mit archäologischen Ausgrabungen werden nun ein Jahr lang Studien und Analysen zu den Funden durchgeführt. Gut möglich, dass im nächsten Jahr, wenn das Wasser des Sees wieder abgelassen wird, die nächsten Ausgrabungen folgen.
Bekannt war bis dato, dass die Steinzeitmenschen in die Berge kamen, um Rentiere zu jagen. So haben Gletscherarchäologen bereits umfangreiche Spuren wie Pfeilspitzen gefunden, die sich über Jahrtausende erstrecken. Hier hilft der Klimawandel tatsächlich mal.
Aber auch der Fischfang könnte dort oben eine zuverlässige Nahrungsquelle gewesen sein, glaubt Mjærum. „Es sind nicht die Fische, die diese Menschen in die Berge gelockt haben, die hatten sie auch im Flachland. Aber die Fische könnten ihnen die Rentierjagd ermöglicht haben.“
Mjærum glaubt laut ScienceNorway, dass die Arbeit vielleicht so organisiert war, dass einige auf die eher kriegerische und in jedem Fall prestigeträchtige Rentierjagd gingen, während andere sich um den Fischfang kümmerten.
„Vielleicht war dies eine Aufgabe für Kinder und Eltern, die nicht an der beschwerlichen Rentierjagd beteiligt waren“, vermutet der Archäologe. Dass der Fischfang in Tesse wichtig war, ist auch aus anderen historischen Epochen bekannt. So auch aus der Zeit der Wikinger.