Ein Abend in Bonn
„Der endlose Sommer“ – Roman von Madame Nielsen
Lesung und Gespräch mit der Autorin im Haus der Bildung in Bonn. Moderiert von Bettina Böttinger, Lesung der deutschen Texte mit der Schauspielerin Sabine Osthoff. Hochkarätig war die Ankündigung der Veranstaltung am 19. März mit Madame Nielsen.
Kurz zuvor erschien ein Bericht über Madame Nielsen in der Zeit, ein Auftritt bei der lit.COLOGNE war wenige Tage her und die gesamte PR-Maschinerie lief auf Hochtouren.
Gehört hatte ich zuvor nichts von der Autorin, Künstlerin, Sängerin, Performerin und buntem Hund aus Dänemark. Denn wie ein solcher sei sie dort bekannt, führte Frau Böttinger in das Gespräch ein. In Dänemark, in einem so kleinen Land, wie ein bunter Hund bekannt zu sein, sei jedoch nicht schwierig, erwiderte Madame Nielsen. Vorgestellt wurde ihr erster Roman auf deutsch „Der endlose Sommer“. Ein Buch, das mich vom ersten Satz an überrascht hatte. Denn gleich zu Beginn merkt man, dass es anders ist, als andere Bücher. Nicht einzuordnen. Vorne auf der Bühne, zwischen der Moderatorin und der Schauspielerin, saß Madame Nielsen und war selbst ebenso wenig einzuordnen.
Der Mensch sei mit einer solchen Fülle an Möglichkeiten geboren, dass er sich nicht einschränken solle, sagt die Autorin. Und für eine Weile dreht sich das Gespräch um die Kategorisierbarkeit der Dinge. Wie Madame Nielsen selber sich in ihrem Leben immer wieder neu erfand. Welche Autoren ihr zusagten; natürlich solche, die sie nicht in eine Kategorie packen könne. Und man spricht über die Liebe, in der sich die Partner auch immer ein wenig fremd sein müssen, damit sie erhalten bleibe. Denn packt man etwas in eine Schublade, so ist es irgendwann tot, scheint die Botschaft des Abends zu sein.
Dabei unterhielt Madame Nielsen das Publikum so wunderbar, dass es fast schade war, wenn zwischendurch wieder Teile aus dem Buch vorgelesen wurden. Gleichwohl das Buch mehr als vorlesungswürdig war. Aber das hätte man ja auch daheim tun können, fand ich.
Zusammen mit dem gut gefüllten Saal, hing ich an den Lippen von Madame Nielsen. Lauschte ihren Vergleichen, jeder eine philosophische Schulstunde an Diskussionen wert. Wie gerne hätte ich dort länger gesessen.
Als ich daheim mich dem endlosen Sommer hingab und Teil davon wurde, war es, als ob Madame Nielsen wieder da wäre, erzählte und ich lauschte. Die Sätze formten Rythmen und Melodien beim Lesen und manches Mal war es mehr wie ein Theaterstück als ein Roman. Die Erzählstimme lockte, griff vor, verriet Intimes und kehrte abrupt wieder zurück zu diesem endlosen Sommer, in dem plötzlich alles möglich schien. Ein dünnes Buch ist das Deutschlanddebut der Dänin. So dicht erzählt, als ob es ein 500 Seiten-Wälzer sei.
„Ich möchte nie Madame-Nielsen-Bücher schreiben“, sagt Madame Nielsen auf der Lesung.
Was auch immer sie als nächstes schreibt, ich hoffe, ich bekomme wieder die Gelegenheit, sie persönlich zu treffen, um ihren Ausführungen zu lauschen.
Madame Nielsen:
„Der endlose Sommer“*
Aus dem Dänischen von Hannes Langendörfer
Verlag: Kiepenheuer & Witsch; 192 Seiten; 18 Euro
Helena
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