Es ist eine Einsamkeitsgeschichte, kein Liebesroman
“Lehne deine Einsamkeit sanft an meine“ – Klara Hveberg
Rakel ist eine Außenseiterin, die sich schon als Kind von anderen nicht nur optisch unterscheidet. Aufgewachsen in der norwegischen Provinz als Tochter einer asiatischen Mutter und eines norwegischen Vaters, interessiert sie sich schon früh für mathematische Rätsel und Gedankenspielereien, die sie nur mit ihrem unsichtbaren Freund David teilen kann, denn andere Freunde hat sie nicht.
Sie fällt somit nicht nur optisch auf, mit ihrem dunklen Haar zwischen lauter Blondinen. Auch sonst stößt Rakel immer wieder auf Details, die ihre Selbsteinschätzung als Außenseiterin manifestieren.
Als die Protagonistin sich nach dem Schulabschluss an die Universität in Oslo zum Studium der Mathematik einschreibt, beginnt die eigentliche Geschichte, die auf den ersten Blick ein Drama mit dem üblichen Setting ist. Junge, geniale, einsame Frau trifft auf deutlich älteren Mathematikprofessor, der als einziger das Genie und die Anziehungskraft erkennt und gar nicht anders kann als, trotz Frau und Kindern, eine Affäre mit Rakel zu beginnen.
Und auch, wenn diese Art der Geschichte schon zigfach erzählt worden ist, gelingt der Autorin Hveberg hier etwas Neues, was mich als Leserin von Anfang an in den Bann gezogen hat.
Die Autorin Klara Hveberg selbst hat nach einem Studium der Musik und Literatur in der Mathematik über Fraktale promoviert, und ein Fraktal, das Sierpinski-Dreieck, als Strukturvorbild für ihren Roman genommen.
Entstanden ist dabei ein Text, der aus vielen kurzen Kapiteln besteht, in denen Fragmente aus dem Leben Rakels gespiegelt werden mit dem Leben von der ersten Mathematikprofessorin Sofja Kowalewskaja, über die wiederum Rakels Mathematikprofessor, Jakob, ein Buch schreiben möchte.
Und so spiegelt sich die unmögliche Beziehung zwischen Rakel und Jakob in der unmöglichen Beziehung zwischen Kowalewskaja und ihrem deutschen Uniprofessor Weierstraß in immer mehr einander gleichenden Lebenspassagen.
Hveberg durchzieht ihren Roman mit vielen Referenzen an norwegische Musik, Literatur und Mathematik, die ins Deutsche zu übersetzen Daniela Syczek vor Herausforderungen stellte. Dazu äußerte sie sich in einem Nachwort.
Die Übertragung ins Deutsche ist dabei so gelungen, dass ich nach der Lektüre nicht glauben konnte, dass dieses Kunstwerk im deutschen Feuilleton kein Echo erfahren hat.
Auch der Titel des Romans ist eine Referenz, die dem deutschen Leser nicht geläufig sein wird. Denn „Lehne deine Einsamkeit sanft an meine“ ist einem Gedicht des nowergischen Schriftstellers und Lyrikers Stein Mehren entlehnt.
Ihr Debüt nennt Klara Hveberg selber eine Einsamkeitsgeschichte statt einen Liebesroman. Ich wünsche diesem Buch, dass noch mehr Leser sich daran lehnen mögen.
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Ein wundervolles Buch! In zwei Tagen durchgelesen; Kurze Kapitel, zauberhafte Sprache, ein der Geschichte angepasstes Tempo. Von mir ebenfalls eine absolute Lese-Empfehlung!