4.500 Inuit-Frauen betroffen
Grönländische Frauen fordern Entschädigung von Dänemark für erzwungene Empfängnisverhütung
67 Frauen aus Grönland haben am Montag Entschädigungsforderungen an die dänische Regierung gestellt, weil ihnen vor Jahrzehnten ohne ihre Zustimmung Intrauterinpessare (IUP, besser bekannt als „Spirale“) eingesetzt wurden. Das berichtet die Nachrichtenagentur AFP.
Viele der Frauen waren erst Teenager, als ihnen im Rahmen eines von Dänemark diskret organisierten Programms zur Begrenzung der Geburtenrate in Grönland Spiralen eingesetzt wurden.
Grönland ist zwar seit 1953 keine Kolonie mehr, ist aber weiterhin Teil des Königreichs Dänemark, und steht damit nach wie vor unter der Kontrolle Kopenhagens.
Die Klägerinnen fordern jeweils 300.000 Dänische Kronen (rund 40.000 Euro).
Eine Reihe von Podcasts, die auf nationalen Archiven basieren und im Frühjahr 2022 vom dänischen Rundfunk DR veröffentlicht wurden, enthüllten das Ausmaß der Kampagne. Dänemark
und Grönland sind seit einiger Zeit dabei, ihre Beziehung auf den Prüfstand zu stellen.
Die größte Insel der Welt – etwa 2.500 Kilometer von Dänemark entfernt in der Arktis gelegen – hat eine eigene Flagge, Sprache, Kultur, Institutionen und einen eigenen Ministerpräsidenten.
Seit dem Selbstverwaltungsgesetz von 2009 unterstehen nur noch die Währung, das Justizsystem sowie die Außen- und Sicherheitsangelegenheiten der dänischen Autorität.
Grönland ist jedoch in hohem Maße von dänischen Zuschüssen abhängig, die ein Viertel seines BIP und mehr als die Hälfte seines öffentlichen Haushalts ausmachen.
Eine im vergangenen Jahr eingesetzte Kommission, die Beschwerden gegen den dänischen Staat untersucht, soll ihre Ergebnisse 2025 veröffentlichen, aber die Beschwerdeführer wollen
vorher schon entschädigt werden.
„Wir wollen nicht auf die Ergebnisse der Untersuchung warten“, sagte die Psychologin Naja Lyberth, die die Entschädigungsklage initiiert hat, gegenüber AFP, wiue France24 berichtet.
Die Zeit drängt
Die äktesten, denen in den 1960er Jahren IUPs eingesetzt wurden, seien in den 1940er Jahren geboren und gehen auf die 80 zu, erklärte sie weiter.
Man müsse jetzt handeln, betonte Lyberth.
In den 60er und 70er Jahren wurden nach Angaben des DR etwa 4.500 jungen Inuit ohne ihre Zustimmung oder die ihrer Familien Spiralen eingesetzt.
Viele Frauen waren sich nicht bewusst, dass sie ein Verhütungsmittel trugen, und bis vor kurzem fanden grönländische Gynäkologen IUPs bei Frauen, die sich ihres Vorhandenseins nicht bewusst waren, so Lyberth.
„Es ist zu 100 Prozent klar, dass die Regierung gegen das Gesetz verstoßen hat, indem sie unsere Menschenrechte verletzt und uns ernsthaften Schaden zugefügt hat“, fügte sie hinzu.
Lyberth zufolge wird die Regierung ihre Anträge wahrscheinlich ablehnen, bis die Ergebnisse der Kommission vorliegen – in diesem Fall wird die Angelegenheit vor Gericht gebracht werden.
Im Jahr 2022 entschuldigte sich Dänemark bei sechs Inuit, die in den 1950er Jahren ihren Familien weggenommen wurden, um an einem Experiment zum Aufbau einer dänischsprachigen Elite in dem arktischen Gebiet teilzunehmen, und zahlte ihnen eine Entschädigung.