„Gamechanger“-Entdeckung der Uni Kopenhagen?
Dänemark: Grönländisches Gletschermehl bindet massiv CO2 aus Atmosphäre – und kann noch mehr
Ein Forscherteam der Universität Kopenhagen hat eine Entdeckung gemacht, die im Kampf gegen den Klimawandel so etwas wie ein „Gamechanger“ werden kann. Dabei geht es um Gletschermehl aus Grönland, das den Testergebnissen zufolge imstande ist, massenhaft CO2 zu binden.
Und das Mehl kann noch mehr: Es bietet bei Anwendung auf Äckern offenbar beste Bedingungen, um den landwirtschaftlichen Ertrag deutlich im zweistelligen Prozentbereich zu erhöhen. Hört sich fast zu gut an, um wahr zu sein.
„Wir hoffen sehr, dass wir mit unserer Forschung dazu beitragen können, viel CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen“, teilte diese Woche Geologieprofessor und Projektleiter Minik Rosing von der Uni Kopenhagen mit.
„Gleichzeitig ist Nahrung für einen Gutteil der Menschen keine Selbstverständlichkeit. Wir müssen die Produktion für die wachsende Weltbevölkerung steigern“, sieht Rosing in der Entdeckung großes Potenzial für gleich zwei Probleme, die die nächsten Jahrzehnte global prägen werden.
Doch was genau ist eigentlich Gletschermehl? Den Begriff hat Rosing selbst geprägt, und er könnte passender für das „Endprodukt“ kaum sein. Gletschermehl ist eine graue, sehr nährstoffreiche Substanz, die in Grönland quasi unbegrenzt vorkommt.
Mehr noch: Ausgerechnet der Klimawandel hilft, es in Zukunft potenziell in großen Mengen abzubauen, da der schnell an Kraft verlierende Eispanzer Grönlands in Verbindung mit Schmelzwasser für den Abtransport sorgt.
Wie das? Unter der noch kilometerdicken Eisdecke der weltgrößten Insel werden Felsen und Geröll derart stark komprimiert und zerkleinert, dass ein sehr feinkörniges Material ensteht: Gletschermehl eben, das dann durch Schmelzwasser im großen Stil in Flüsse, Seen und Fjorde gewaschen wird.
Der Zauberbegriff hinter dem Ganzen heißt: „verstärkte Verwitterung“
Hier ist es schließlich mit relativ einfacher Technik auffang- und abbaubar. Der Transport in die Welt müsste dann mit Frachtschiffen erfolgen. In gleich zwei Studien haben Rosing und sein Team die Dinge durchgespielt, mit jeweils vielversprechenden Ergebnissen.
Zu Testzwecken haben die Forscher das feine Pulver auf Feldern in Süddänemark und Ghana verteilt. Die eindeutigen Ergebnisse: Der CO2-Gehalt in der Atmosphäre wird durch die Reaktion mit den Mineralien des Mehls reguliert.
Hierfür gibt es einen Zauberbegriff, der sich „verstärkte Verwitterung“ nennt. Davon spricht man in erster Linie, wenn die Oberfläche von CO2-bindenden Substanzen maximal vergrößert (ja, Mehl ist in Summe eine Vergrößerung) und dann kohlensäurehaltigen Böden ausgesetzt wird.
Oder aber man lässt – wie auf Grönland – die Natur für sich arbeiten und bedient sich bei Mineralien, die bereits zerkleinert / vergrößert wurden. Auf diese Weise ließe sich die CO2-Menge in der Atmosphäre in kürzerer Zeit sehr effektiv zu verringern, ist Rosing überzeugt.
Ein Beispiel im Kleinen: Wenn 50 Tonnen Gletschermehl auf einem Hektar Ackerland ausgebracht werden, entzieht es der Atmosphäre laut den Berechnungen der Uni Kopenhagen insgesamt 728 Kilogramm CO2.
Ein Beispiel im Großen: Wenn man Gletschermehl auf allen Feldern in Dänemark ausstreuen würde, auf denen die gleichen Bedingungen wie auf dem Versuchsacker herrschen, ließen sich im Laufe eines Jahrzehnts 27 Millionen Tonnen CO2 „einfangen“.
Projekt theoretisch weltweit ausdehnbar – Gletschermehl gibt es jedenfalls reichlich
Das entspricht in etwa derselben Menge CO2, die Dänemark in einem ganzen Jahr ausstößt – ein erheblicher Einspareffekt also. „Wenn unser Verfahren beim Emissionshandel eine Rolle spielen soll, muss es natürlich belegbar sein“, sagte Rosing im Vorfeld. Nun scheint es vollbracht zu sein.
Hinzu kommt, dass Grönland das Gletschermehl auf lange Zeit nicht auszugehen scheint. Den Forschern zufolge wird jedes Jahr mehr davon auf natürliche Weise produziert, als „vernünftigerweise abgebaut werden kann“.
Das bedeutet, dass das Projekt theoretisch auf die ganze Welt ausgedehnt werden könnte, wenn denn andere Nationen mitzögen. Gegenrechnen müsste man natürlich den Schiffsdiesel, der benötigt wird, um das Mehl über die Meere zu befördern, schreibt DR in einem aktuellen Beitrag.
„An diesem Punkt müssen die Vorteile die Nachteile überwiegen“, sagt Rosing. „Um es zu analysieren, braucht man eine klarere Vorstellung davon, wie man das Mehl in großem Maßstab gewinnen, transportieren und zu den Endverbrauchern bringen kann.“ Klassische Logistikketten.
Und auch zur Ernte gibt es erfreuliche Daten: In Dänemark zeigte sich, dass das Gletschermehl im ersten Jahr (nicht aber in zwei Folgejahren) zu einem besseren Ertrag führte. Konkret stieg er bei Mais um 24 Prozent und bei Kartoffeln um 19 Prozent, wenn Gletschermehl angewandt wurde.
In Ghana hingegen stellte sich heraus, dass die Erträge von Saison zu Saison in die Höhe schossen – jeweils um rund 35 Prozent. Hauptgrund dafür ist, dass die Böden in Ghana nicht so nährstoffreich sind wie die in Dänemark. Gletschermehl scheint es in sich zu haben, gleich doppelt.