Absichtserklärung abgegeben – ein Kommentar
Nach dem Massaker: Färöer will Delfinjagd neu bewerten
Vor einigen Tagen ist es zu einem grausamen Abschlachten von rund 1.400 Delfinen in der Bucht von Skálafjord auf den Färöern gekommen, – die internationale Kritik am Vorgehen der Färöer und Färöerinnen ließ nicht lange auf sich warten, und das, nach Lage der Dinge, zurecht. Heute hat die färöische Regierung eine Stellungnahme dazu abgegeben, in der es heißt, man wolle das Geschehene neu bewerten.
Dort heißt es wörtlich: „Die Situation am 12. September war außergewöhnlich, vor allem weil die Delfinschule um ein Vielfaches größer war als gewöhnlich. Die Schule war mehr als dreimal so groß wie die zweitgrößte aller Zeiten, was zu großen Schwierigkeiten führte, sobald die Tiere die Bucht erreicht hatten.“
Die Stellungnahme lässt den Leser im Unklaren darüber, ob mit der „zweitgrößten Schule aller Zeiten“, die jemals gesichtet oder jemals geschlachtet worden war, gemeint ist.
Die Grindwaljagd, auch bekannt als Grindadráp, ist ein fester Bestandteil der färöischen traditionellen Ernährungskultur. Delfine gehören jedoch normalerweise nicht zum klassischen Fleisch, das auf den Färöern auf den Teller kommt, so die Stellungnahme weiter:
„… Grindwale und Delfine sind verschieden, sie haben ganz unterschiedliche Rollen in unserer Gesellschaft. Die Jagd auf den Atlantischen Weißseitendelfin ist nicht in gleichem Maße Teil der färöischen Tradition und hat nicht die gleiche kulturelle Legitimität.“
„Wir nehmen diese Angelegenheit sehr ernst. Obwohl diese Jagden als nachhaltig gelten, werden wir uns die Delfinjagd genau ansehen und prüfen, welche Rolle sie in der färöischen Gesellschaft spielen sollte. Die Regierung hat beschlossen, eine Evaluierung der Vorschriften für den Fang von Atlantischen Weißseitendelfinen einzuleiten“, so der Ministerpräsident des Archipelstaates Bárður á Steig Nielsen.
In der Tat muss man sich dessen bewusst sein, dass die Waljagd der Färöer nichts ist, wofür wir sie verurteilen dürften. Vom ethischen Standpunkt aus betrachtet, sieht die Metzelei grausam aus – das ist sie auch tatsächlich – jedoch steht es uns, die wir Massentierhaltung pflegen, beispielsweise Schweine im Kastenstand halten, die Empörung nicht zu.
Färöischer Walfang im Kontext
„Die Regierung der Färöer Inseln unterstreicht das Recht und die Verantwortung der färöischen Bevölkerung, die Ressourcen des Meeres nachhaltig zu nutzen“, heißt es in der Stellungnahme. Als Inselstaat bekenne sich Färöer zu dem Ziel der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung – die Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu erhalten und nachhaltig zu nutzen.
Traditionelle Methoden der Nahrungsmittelproduktion aus lokalen Ressourcen sind eine wichtige Ergänzung für den Lebensunterhalt der Färöer. Dazu gehören die Weidehaltung von Schafen in den Bergen, die Küstenfischerei für den Eigenbedarf und regelmäßige Fänge von Grindwalen und anderen Kleinwalen.
Diese Nahrungsressourcen haben es den Färöern als Inselstaat ermöglicht, einen relativ hohen Grad an Selbstversorgung in der Nahrungsmittelproduktion aufrechtzuerhalten. Auf den Färöern wird es als wirtschaftlich und ökologisch verantwortungsvoll angesehen, das Beste aus den lokalen natürlichen Ressourcen zu machen und das Wissen zu erhalten, das erforderlich ist, um das zu nutzen, was die Natur in einer rauen ozeanischen Umgebung bereitstellt.
Grindwale und andere Kleinwale sind eine der wenigen lokalen Fleischquellen, die nicht aus der Ferne importiert werden müssen. Das Fleisch jeder Waljagd liefere „wertvolle Nahrungsmittel“, die in den Gemeinden, in denen die Waljagden stattfinden, kostenlos verteilt würden, so die Stellungnahme.
„Die färöischen Waljagden sind ein dramatischer Anblick für Menschen, die mit dem Abschlachten von Säugetieren nicht vertraut sind. Die Jagden sind jedoch gut organisiert und vollständig reguliert. Die färöischen Tierschutzgesetze, die auch für den Walfang gelten, schreiben vor, dass die Tiere so schnell und mit so wenig Leiden wie möglich getötet werden müssen“, heißt es in der Theorie und auch der offiziellen Erklärung der Regierung.
„Normalerweise wird eine ganze Walherde in weniger als fünfzehn Minuten getötet.“
Massaker an den Weißseitendelfinen
Das Treiben und Töten von Delfinen auf den Färöern unterliegt denselben Vorschriften wie das von Grindwalen und muss entsprechend durchgeführt werden. „Der Weißseitendelfin (Lagenorhynchus acutus) ist ebenfalls eine häufig vorkommende und weit verbreitete Art auf den Färöern“, so die Erklärung.
Zur Tötungsweise heißt es laut Vorschrift: „Eine entwickelte Wirbelsäulenlanze ist ein vorgeschriebenes Gerät für die Tötung von Grindwalen. Mit der Lanze wird das Rückenmark des Wals durchtrennt, wodurch auch die Hauptblutzufuhr zum Gehirn unterbrochen wird und das Tier innerhalb von Sekunden das Bewusstsein verliert und stirbt. Die Rückenmarkslanze verkürzt die Tötungszeit nachweislich auf 1 bis 2 Sekunden und verbessert gleichzeitig die Genauigkeit und Sicherheit.“
Die Bewohner der Färöer Inseln fangen jährlich im Durchschnitt etwa 250 Weißseitendelfine, wie uns die Statistik verrät. Wie bei den Grindwalen schwankt diese Zahl von Jahr zu Jahr. Die färöischen Fänge von Weißseitendelfinen werden auf der Grundlage der letzten Bestandsschätzung als nachhaltig angesehen.
Die Bilder vom Abschlachten am 12. September sprechen jedoch eine andere Sprache. Im Video der Umwelt- und Tierschutzorganisation Sea Sheapherd ist eindeutig zu sehen, dass die Schlachtung der Delfine einem Gemetzel gleichkam, bei dem durchaus nicht alle Tiere mit der Wirbelsäulenlanze getötet wurden und innerhalb von 1-2 Sekunden verstarben, sondern teilweise in Rotorblätter der Bootsmotoren gerieten, verstümmelt wurden und lange litten, bevor sie verendeten.
Zahlenmäßig variiert die Tötung nach Angaben von Tierschutzorganisationen Jahr für Jahr stark. Klar scheint aber zu sein: 1.430 auf einmal getötete Delfine sind außergewöhnlich viel. In den dänischen Medien zitierte Kritiker äußerten Bedenken daran, dass all das Fleisch überhaupt verzehrt werden könne.
Allein die Tatsache, dass die färöische Regierung eine Stellungnahme zum diesjährigen Grindadráp veröffentlicht hat, zeugt davon, dass an diesem Tag etwas Außerordentliches geschehen sein muss, das einer Erklärung bedarf.
Wenn man es optimistisch betrachtet, sieht man in der Erklärung ein langsames Bewusstwerden über die Grasusamkeit der Waljagd.
Will man es pessimistisch sehen, liest man darin ein Lippenbekenntnis dazu, die Delfinjagd „neu berwerten“ zu wollen. Was diese Neubewertung im Detail bedeutet, wird nicht präzisiert. Es ist daher davon auszugehen, dass die Erklärung von Bárður á Steig Nielsen mehr der Versuch eines diplomatischen Wogenglättens ist, als eine Absicht, die Dinge ändern zu wollen.
Warum sollten die Färöer auch ihre Lebensweise ändern, wenn andere Europäer mehrheitlich dazu ebenfalls nicht in der Lage sind.
ap