„Sind bequem geworden“
Dänemark: Radfahren immer unbeliebter – trotz immenser Investitionen ins Wegenetz
Da startet dieses Jahr die Tour de France mit gleich drei Etappen in Dänemark (Zeitfahren in Kopenhagen, Zielankünfte in Nyborg und Sønderborg) – und dann das: Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass das Radfahren in Dänemark an Beliebtheit eingebüßt hat.
Dabei hat die dänische Regierung zuletzt eigentlich ein Menge auf den Weg gebracht, um den gegenteiligen Effekt zu erzielen. Für die nächsten rund 10 Jahre sind etwa 3 Milliarden Kronen (400 Mio. Euro) für landesweite Radverkehrsprojekte vorgesehen.
Auch wurde 2022 zum „Jahr des Fahrrads“ ausgerufen, was natürlich wunderbar zum Gastspiel der Tour de France passt. Aber weder Marketing noch Bagger und Schaufel scheinen den Trend derzeit wenden zu können. Der Radverkehr in Dänemark, so vermeldet die Straßenbaubehörde, geht zurück.
Aktuelle Zahlen der Behörde zeigen, dass auf einem durchschnittlichen Straßenabschnitt, auf dem im Jahr 2000 noch 100 Radfahrer unterwegs waren, die derzeitige Auslastung bei etwa 94 Radlern liegt.
Ein Minus von 6 Prozent also in den letzten 20 Jahren, trotz aller verkehrspolitischen Anstrengungen und trotz des Klimathemas, das man in Dänemark ja nun wirklich ernst nimmt. Das wirft natürlich Fragen auf.
Laut der Straßenbaubehörde dürfte ein Grund für den Rückgang des Radverkehrs im wirtschaftlichen Erfolg des Landes liegen. „Wir sind bequemer geworden. Viele haben ein Auto, manche sogar zwei. Und hat man ein Auto, nutzt man es mit großer Wahrscheinlichkeit – selbst für kurze Strecken“, so eine Sprecherin.
Hinzu komme ein deutliches Stadt-Land-Gefälle, was die Nutzung des Rades betrifft. Gerade auf dem Land, wo die Wege zwischen Arbeit, Schule, Sportverein und Einkaufszentrum eben ein wenig länger sind, würde sich das statistisch niederschlagen.
Zum Vergleich: In der dänischen Hauptstadt Kopenhagen legen die Bürgerinnen und Bürger im Durchschnitt drei Kilometer pro Tag mit dem Rad zurück. In den kleineren Gemeinden des Landes ist es dagegen lediglich ein Kilometer – weil das Auto hier Zeitersparnis und Komfort bedeutet.
Um gegenzusteuern, plant die dänische Regierung nun offenbar auch eine Initiative für Schulen und Kindertagesstätten. Der Plan: Kinder frühzeitig zum Radfahren zu bewegen. Und am Arbeitsplatz? Auch hier könnte sprichwörtlich mehr Bewegung reinkommen.
Auf dem Tisch liegt laut der Copenhagen Post ein Plan, wonach Berufspendler, die mehr als 6 Kilometer pro Tag mit dem Rad fahren, steuerlich begünstigt werden könnten. Außerdem sollen auch Arbeitgeber dazu angehalten werden, radelnde Mitarbeiter finanziell zu honorieren.
Ob das alles zündet? Wer weiß. Das Finanzministerium jedenfalls scheint schonmal gegen steuerliche Vergünstigungen für radelnde Pendler zu sein. Hier heißt es, man setze voll auf die Bemühungen des Landes, die (ohnehin guten) Bedingungen für Radfahrer nochmals zu verbessern. Touristen wird es definitiv freuen – die Dänen hoffentlich auch.
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