Expansion der Wikinger in den Nordatlantik komplexer als bisher angenommen
Wikinger, die Island und die Färöer-Inseln besiedelten, hatten unterschiedliche Ursprünge
Eine genetische Untersuchung zeigt, dass die Wikinger, die die Färöer-Inseln besiedelten, aus allen Ecken Skandinaviens stammten. Wohingegen Island von einer genetisch homogeneren Gruppe besiedelt wurde. Diese Erkenntnis verdeutlicht die Mobilität und kulturelle Anpassungsfähigkeit der skandinavischen Seefahrer.
Die Wikinger waren bekannt für ihre Entdeckungsreisen. Zwischen dem späten achten Jahrhundert und 1050 n. Chr. erkundeten sie den Atlantik, erreichten Neufundland und Grönland und drangen bis ins Mittelmeer und auf das eurasische Festland vor.
Auf den Färöer-Inseln, einem abgelegenen Archipel im Nordatlantik, ließ sich laut der Färingersaga ein Wikingerhäuptling namens Grímur Kamban zwischen 872 und 930 n. Chr. nieder auf den Färöer-Inseln nieder. Archäologische Funde deuten jedoch darauf hin, dass die Inseln bereits seit 300 n. Chr. von keltischen Mönchen oder anderen Bewohnern der Britischen Inseln besiedelt sein könnten.
Eine neue Studie unter der Leitung von Dr. Christopher Tillquist (Universität von Louisville) liefert nun genetische Beweise:
Die männlichen Siedler der Färöer-Inseln kamen aus verschiedenen skandinavischen Populationen. Co-Autoren der Forschung sind Dr. Allison Mann (Universität Wyoming) und Dr. Eyðfinn Magnussen (Universität der Färöer Inseln).
Diese Entdeckung unterstreicht, dass die Wikinger nicht nur als Räuber und Händler, sondern auch als Siedler sehr umtriebig waren.
Vielfältige Ursprünge: Neue genetische Erkenntnisse über die Wikinger auf den Färöer-Inseln
Die Frage, woher Grímur Kamban und seine Anhänger stammten, beschäftigt Wissenschaftler seit Langem. Eine aktuelle Studie bringt nun Licht ins Dunkel:
„Unsere Forschung zeigt eindeutig, dass die Färöer-Inseln von einer vielfältigen Gruppe männlicher Siedler aus verschiedenen skandinavischen Populationen besiedelt wurden“, erklärt Dr. Christopher Tillquist, außerordentlicher Professor an der Universität von Louisville und Hauptautor der Studie, die in der Fachzeitschrift Frontiers in Genetics veröffentlicht wurde.
An der Studie beteiligten sich auch Dr. Allison Mann von der Universität Wyoming und Dr. Eyðfinn Magnussen von der Universität der Färöer Inseln. Die Forscher analysierten den Genotyp von 139 Männern aus Borðoy, Streymoy und Suðuroy, drei der färöischen Inseln.
Sie untersuchten dabei 12 „Short Tandem Repeat“-Loci (STR) auf dem Y-Chromosom, um die Haplogruppen zu bestimmen, die im heutigen Europa regional unterschiedlich verbreitet sind.
Diese Ergebnisse belegen, dass die ersten Siedler der Färöer-Inseln aus verschiedenen Teilen Skandinaviens stammten und somit ein breites Spektrum genetischer Vielfalt mitbrachten.
Genetischer Vergleich zwischen Norwegen, Schweden, Dänemark, Island und Irland
Die Forscher verglichen die Genotypen von 139 färöischen Männern mit denen von 412 Männern aus Norwegen, Schweden, Dänemark, Island und Irland, um die Herkunft der Wikinger zu rekonstruieren. Die Ergebnisse zeigen: Während die färöischen Proben Ähnlichkeiten mit der genetischen Bandbreite Skandinaviens aufweisen, unterscheiden sich die isländischen Genotypen deutlich.
Eine neu entwickelte Methode, die sogenannte „Mutationsdistanz vom modalen Haplotyp“, ermöglichte es, die Variation der SNPs (Einzel-Nukleotid-Polymorphismen) in den STRs genauer zu analysieren.
Diese Analyse wies auf einen „Gründereffekt“ hin – einen genetischen Flaschenhals, der durch den Verlust von Vielfalt bei der Besiedlung durch eine kleine Population entstand und sich noch heute in den Genen der männlichen Bevölkerung auf den Färöern und in Island nachweisen lässt.
„Es wurde lange angenommen, dass Färöer und Island von ähnlichen nordischen Gruppen besiedelt wurden“, erklärt Dr. Christopher Tillquist.
„Unsere Analysen zeigen jedoch, dass die Färöer von einer Gruppe mit gemischten skandinavischen Ursprüngen besiedelt wurden, während sich auf Island eine genetisch stärker abgegrenzte Gruppe niederließ.“
Diese Unterschiede spiegeln sich in bis heute fortbestehenden genetischen Signaturen wider und verdeutlichen die Vielfalt der Wikingerpopulationen, die diese Regionen prägten.
Neue Erkenntnisse über die Wikingerzeit
„Zwischen diesen beiden Populationen scheint es trotz ihrer geografischen Nähe keine Kreuzung gegeben zu haben. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Expansion der Wikinger in den Nordatlantik komplexer war als bisher angenommen.“
„Jedes Langschiff, das zu diesen fernen Inseln aufbrach, hatte nicht nur Wikinger an Bord, sondern auch unterschiedliche genetische Hinterlassenschaften. Wir können nun diese getrennten Eroberungs- und Besiedlungsreisen nachzeichnen und so eine differenziertere Geschichte der wikingerzeitlichen Erkundung aufdecken, als sie in den Geschichtsbüchern steht.“
Die Ergebnisse der aktuellen Studie und die fehlende Übereinstimmung zwischen isländischen und färöischen Haplotypen deuten darauf hin, dass die beiden Populationen von unterschiedlichen väterlichen Genpools gegründet wurden und es keine nachweisbare Vermischung zwischen den beiden Gruppen gibt.