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Die Kriminalität steigt sofort

Forscher entdecken Zusammenhang zwischen Airbnb-Vermietungen und Zunahme von Kriminalität in London

Bislang war der Zusammenhang zwischen Airbnb und spekulativen Immobiliengeschäften bekannt, der den Wohnraum in Städten verteuert oder gar unerschwinglich macht. Doch der Beitrag von Kurzzeitvermietungen auf kriminelle Aktivitäten ist ein neuer Aspekt des Airbnb-Komplexes.

Airbnb London
Airbnb-Vermietungen führen in London zu mehr Kriminalität, wie eine neue Studie herausfand. (Foto: Clem Onojeghuo)
Eine neue Studie zeigt, dass Airbnb-Vermietungen mit einem Anstieg der Kriminalität in Londoner Stadtvierteln in Verbindung steht. Zwischen 2015 und 2018 ergab die Untersuchung einen „positiven Zusammenhang“ zwischen der Zahl der gelisteten Ferienwohnungen und gemeldeten Gewaltverbrechen, darunter Raubüberfälle.

Laut Forschern der Universität Cambridge, in der englischen Grafschaft Cambridgeshire, und der Uni von Pennsylvania könnte ein Anstieg der Airbnb-Vermietungen um 10 Prozent zu rund 1.000 zusätzlichen Raubüberfällen pro Jahr führen.

Die Wissenschaftler betonen, dass der Zusammenhang weniger mit dem Verlust des sozialen Zusammenhalts in den betroffenen Vierteln zu tun habe, sondern vielmehr mit neuen Gelegenheiten für Kriminelle.

„Wir haben alternative Erklärungen geprüft, wie veränderte Polizeipräsenz oder touristische Hotspots, doch der Zusammenhang bleibt bestehen“, sagt Dr. Charles Lanfear vom Institut für Kriminologie in Cambridge.

Airbnb, gegründet 2008, bietet Touristen und Gastgebern zwar Bequemlichkeit und finanzielle Vorteile, könnte jedoch ungewollt zur Umwandlung ganzer Stadtteile in weitgehend unregulierte Hotels führen, so die Studie.

Starke Gegenreaktion auf Airbnb

Die Sorge, dass Airbnb zu steigenden Wohnkosten beiträgt, hat in Städten wie Barcelona eine starke Gegenreaktion der Anwohner ausgelöst, die eine strengere Regulierung fordern. Auch London zählt zu den größten Airbnb-Märkten weltweit, mit rund 4,5 Millionen Gästen allein im Untersuchungszeitraum.

Für die Studie nutzten Dr. Charles Lanfear und sein Kollege Prof. David Kirk von der University of Pennsylvania umfangreiche Daten der Plattform AirDNA, die Airbnb-Angebote analysiert.

Sie ermittelten Zahlen, Trends und geografische Verteilungen des Kurzzeitvermietungsmarkts zwischen Januar 2015 und März 2018. Diese Daten ordneten sie den sogenannten „Lower Layer Super Output Areas“ (LSOAs) zu, kleinen Gebieten mit rund 2.000 Einwohnern, die für die britische Volkszählung definiert sind. Insgesamt wurden 4.835 LSOAs in London analysiert.

Die Forscher kombinierten die AirDNA-Daten mit Kriminalitätsstatistiken des britischen Innenministeriums und der Greater London Authority, um die Auswirkungen auf Raub, Einbruch, Diebstahl, antisoziales Verhalten, Gewalt und Körperverletzung zu untersuchen.

Dabei zeigte sich, dass der Zusammenhang zwischen Airbnb-Vermietungen und Kriminalität besonders stark bei Raub und Einbruch war, gefolgt von Diebstahl und Gewalt. Für antisoziales Verhalten und Körperverletzung hingegen konnte kein signifikanter Zusammenhang festgestellt werden.

Interessanterweise war dieser Effekt vor allem bei der Vermietung ganzer Häuser deutlich, während Zimmer oder einzelne Apartments in einer ansonsten Airbnb-freien Umgebung kaum eine Rolle spielten.

Größte Steigerung bei Raubüberfällen

Laut der Studie war in London eine zusätzliche Airbnb-Vermietung mit einem Anstieg der Raubüberfälle in einem Stadtviertel (LSOA) um 2 % verbunden. Bei Diebstählen betrug dieser Zusammenhang 1 %, bei Einbrüchen 0,9 % und bei Gewaltverbrechen 0,5 %.

„Auch wenn der kriminogene Effekt jeder einzelnen Airbnb-Vermietung gering erscheint, kann der kumulative Effekt von Dutzenden in einem Viertel oder Zehntausenden in der gesamten Stadt enorm sein“, erklärt Dr. Lanfear.

Während des Untersuchungszeitraums gab es in London im Durchschnitt 53.000 aktive Vermietungen pro Quartal und rund 11 Airbnb-Unterkünfte pro LSOA. In einem Viertel in Soho, bekannt für sein lebendiges Nachtleben, waren es sogar 318 Airbnbs – das entspricht 30 % aller Haushalte in diesem Gebiet.

Die Modellrechnungen der Forscher zeigen, dass ein Anstieg der Airbnb-Vermietungen um 3,2 % zu einem Anstieg der Raubüberfälle in der gesamten Stadt um 1 % führen könnte. Das wären etwa 325 zusätzliche Raubüberfälle, basierend auf den 32.500 registrierten Fällen in London im Jahr 2018.

Um sicherzustellen, dass diese Ergebnisse nicht durch andere Faktoren verzerrt wurden, berücksichtigten Lanfear und sein Kollege Prof. David Kirk Variablen wie Immobilienpreise, Polizeipräsenz und sogar Fußballspiele der Premier League.

Zudem schlossen sie alle 259 LSOAs in Zone Eins, dem Zentrum Londons, aus den Analysen aus, um zu prüfen, ob die Kriminalität lediglich in stark touristisch geprägten Gebieten anstieg.

Saisonale Schwankungen des Tourismus in London änderten nichts am Ergebnis

Die Datenmodelle berücksichtigten sogar die saisonalen Schwankungen des Tourismus in London – doch die allgemeinen Trends blieben unverändert.

Die Forscher gingen zunächst davon aus, dass ein möglicher Zusammenhang zwischen Airbnb und Kriminalität auf die Beeinträchtigung der „kollektiven Wirksamkeit“ („collective efficacy„) zurückzuführen sei, also den sozialen Zusammenhalt und das Engagement der Gemeinschaft für das Gemeinwohl.

Um dies zu untersuchen, nutzten sie Daten der Metropolitan Police und des Londoner Bürgermeisteramts, die Umfragen zur öffentlichen Wahrnehmung von Kriminalität und zum Gemeinschaftsverhalten durchführten.

Die Ergebnisse zeigten jedoch, dass die kollektive Wirksamkeit in London konstant hoch ist und ihr möglicher Verfall den Zusammenhang zwischen Airbnbs und Kriminalität nicht erklären konnte.

Die Kriminalität steigt sofort

Zudem ergab die Studie, dass der Anstieg der Kriminalität mit der Zunahme der Airbnb-Angebote unmittelbar eintritt und nicht auf eine schrittweise Erosion des sozialen Zusammenhalts zurückzuführen ist.

„Die Kriminalität steigt sofort, sobald Airbnbs in einem Viertel erscheinen, und bleibt hoch, solange sie aktiv sind“, so Lanfear.

Die Forscher vermuten daher, dass dies hauptsächlich auf neue kriminelle Gelegenheiten zurückzuführen sei.

„Ein Airbnb kann verschiedene Verbrechen ermöglichen“, erklärt Lanfear. „Touristen, die sich in der Gegend nicht auskennen, oder regelmäßig leerstehende Immobilien bieten leichte Ziele für Diebe. Auch kurzfristige Bewohner könnten eher Schäden verursachen.“

Zudem könnten Täter gezielt in Gebiete mit vielen Airbnbs gehen, um ungeschützte Ziele auszunutzen.

„Mehr Airbnbs bedeuten oft weniger langfristige Bewohner, die ein persönliches Interesse an der Nachbarschaft haben und kriminelle Aktivitäten melden würden“, so Lanfear weiter.

Airbnb hat zwar Maßnahmen ergriffen, um Kriminalität zu verhindern – wie Hintergrundüberprüfungen und strengere Buchungsanforderungen für bestimmte Zeiträume –, doch der Anstieg der Kriminalität bleibt bestehen.

„Dass wir trotz dieser Maßnahmen noch immer einen Anstieg der Kriminalität beobachten, unterstreicht das Ausmaß des Problems“, ergänzt Prof. David Kirk.

Lanfear betont abschließend:

„Kurzzeitvermietungen wie Airbnb fördern nicht nur spekulative Immobiliengeschäfte, sie scheinen auch einen Einfluss auf die Kriminalitätsrate in Städten zu haben. Die Leidtragenden sind dabei nicht die Vermieter oder das Unternehmen, sondern die Anwohner, die in diesen Vierteln leben.“

Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Criminology veröffentlicht.

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