„Boden für nationale Umsetzung gut vorbereiten“
England: Bedingungsloses Grundeinkommen von umgerechnet 1.850 Euro wird erstmals getestet
Die Debatte um ein bedingungsloses Grundeinkommen hat in den letzten Jahren in zahlreichen Ländern deutlich an Fahrt aufgenommen. England macht damit nun ernst, zumindest ein bisschen, indem erstmals ein umfassender Testballon aufgesetzt wird.
An zwei Orten sollen vorausgewählte Personen über einen Zeitraum von zwei Jahren monatlich einen Betrag von 1.600 Pfund (ca. 1850 Euro) überwiesen bekommen. Ziel ist es zu evaluieren, wie sich dies auf die geistige und körperliche Gesundheit von isgesamt 30 Probanden auswirkt.
Die zwei Orte, die für das Pilotprogramm ausgewählt wurden, sind das Zentrum von Jarrow im Nordosten Englands und East Finchley im Norden Londons. Will Stronge, Forschungsdirektor des Thinktanks Autonomy, zu dem Test:
„Das ist ein ordentlicher Betrag, der die Grundbedürfnisse der Menschen abdecken wird. Wir wollen sehen, wie sich der Pauschalbetrag auf das Leben der Menschen auswirkt – und zwar unabhängig davon, ob sie arbeiten wollen oder nicht.“
„Unsere Gesellschaft wird in den kommenden Jahren eine Form des Grundeinkommens benötigen, angesichts der vor uns liegenden Turbulenzen des Klimawandels, der technologischen Umwälzungen und der Auswirkungen des industriellen Wandels“, sagt Stronge weiter.
Deshalb sei es wichtig, umgehend die Grundlagen zu schaffen und die Öffentlichkeit mit einzubeziehen, „damit der Boden für eine nationale Umsetzung gut vorbereitet ist“, scheint das Modell für den Experten in der Tat alternativlos zu sein.
Beim bedingungslosen Grundeinkommen prallen tendenziell unvereinbare Sichtweisen aufeinander
Befürworter in England argumentieren, ein universelles Grundeinkommen (UBI) böte jedem Menschen ein gewisses Maß an wirtschaftlicher Sicherheit. Es wird als mögliche Lösung für die sich abzeichnenden Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt angesehen. Digitalisierung lässt grüßen.
Gegner hingegen sagen, dass ein solches Instrument zu teuer sei und Unterstützungsleistungen viel gezielter als mit dem Prinzip Gießkanne eingesetzt werden sollten. Gepaart natürlich mit pauschalen Faulheitsverdächtigungen, die man ja auch in Deutschland je nach Partei kredenzt bekommt.
Der Guardian zitiert in einem Beitrag dazu Andy Burnham, den durchaus gewichtigen Bürgermeister von Greater Manchester. Er sagte angesichts der aktuellen Krise bei den Lebenshaltungskosten, die Zeit sei reif für ein bedingungsloses Grundeinkommen.
„Ein universelles Grundeinkommen wird eine solide Basis für alle schaffen, sodass man sein Leben in Sicherheit führen kann und sich nicht mehr um alles sorgen muss.“ Bereits 2020 hatten über 170 britische Abgeordnete die Regierung aufgefordert, Pläne für eine solche Lösung vorzulegen.
Cleo Goodman, eine Mitbegründerin der Initiative Basic Income Conversation, sagte: „Wir hoffen, dass nun endlich Schwung in das Thema kommt. Niemand sollte in einem der reichsten Länder der Welt mit Armut konfrontiert sein und zwischen Heizung und Essen wählen müssen.“
Das Grundeinkommen habe das Potenzial, das Sozialsystem in Großbritannien zu vereinfachen und die Armut zu bekämpfen. Stronge dazu: „Alles deutet darauf hin, dass das Grundeinkommen die Armut unmittelbar lindern und das Wohlbefinden von Millionen von Menschen steigern würde.“
Die potenziellen Vorteile seien einfach zu groß, um sie weiter zu ignorieren, so seine Forderung. Problem nur: Es finden sich immer auch mächtige Stimmen, die das alles völlig anders sehen – in der Regel artikuliert von Menschen, die sich um Heizen, Essen und anderes eh keine Sorgen machen müssen.