Tragischer Tod im ewigen Eis
England: Erstes Opfer der Franklin-Expedition identifiziert – über 170 Jahre danach
Die am 19. Mai 1845 in England gestartete Franklin-Expedition konnte nur auf eines von beidem hinauslaufen: voller Erfolg oder totale Katastrophe. Für irgendetwas dazwischen war das Anliegen des britischen Polarforschers Sir John Franklin auf seiner dritten und letzten großen Forschungsreise einfach zu verwegen.
Ziel der Expedition war es, die berühmt-berüchtigte Nordwestpassage erstmals vollständig zu durchsegeln und kartografisch zu erfassen, um so dem immer weiter in die Ferne blickenden Seehandel die kürzest mögliche Route von Europa nach Asien aufzuzeigen.
Wie katastrophal die Sache dann tatsächlich scheiterte, kann neben vielen Erzählungen und wissenschaftlichen Aufzeichnungen durch die aufwendig produzierte TV-Serie „The Terror“ nachempfunden werden. Sie widmet sich in zehn zum Teil schwer verdaulichen Episoden dem Schicksal der insgesamt 133 Expeditionsteilnehmer – natürlich mit gewissen erzählerischen Freiheiten.
Am Ende sollten nur vier Seeleute die englische Heimat jemals wiedersehen, während die anderen 129 unter Umständen gestorben sein müssen, die man sich nicht vorstellen mag. Denn direkt ins Verderben führte Franklin und seine Gefährten die Suche nach der Nordwestpassage deshalb, weil sie sich mit ihren beiden Schiffen – der HMS Terror und der HMS Erebus – viel zu weit in arktisches Gewässer vorgewagt hatten.
Hier kam es, wie es kommen musste. Beide Schiffe steckten irgendwann in einem dicken Panzer aus Eis fest, weshalb den Beteiligten nach vielen zähen Monaten des Wartens nur zwei Optionen blieben: Hoffen auf nie einsetzendes Tauwetter oder ein langer, verzweifelter Fußmarsch heraus aus dem ewigen Eis.
Letztlich trafen 105 bis dahin Überlebende die Entscheidung, es zu Fuß zu probieren. Und so muss die Expedition, die drei Jahre zuvor unter gewaltiger öffentlicher Anteilnahme mit viel Euphorie und Pathos gestartet war, irgendwo im kanadisch-arktischen Archipel ziemlich jämmerlich zu Ende gegangen sein. Verbunden mit quälenden Ungewissheiten, die die Angehörigen Tausende von Seemeilen entfernt zu ertragen hatten.
Reale Spuren der Expedition wurden dann erst viele Jahre später entdeckt. 2014 fand man das Wrack der Erebus in der Victoria Strait, das der Terror wurde zwei Jahre später südlich der King-William-Insel gesichtet. Außerdem konnten Wissenschaftler im Laufe der Zeit an unterschiedlichen Orten die sterblichen Überreste von fast 30 Expeditionsteilnehmern sicherstellen.
Nun der Durchbruch: Mithilfe von DNA- und genealogischen Analysen durch ein Forscherteam der beiden kanadischen Universtäten Waterloo und Lakehead konnte in Kooperation mit der englischen Trent University ganz aktuell die Identität eines der Expeditionsteilnehmer einwandfrei nachgewiesen werden.
Es handelt sich um Offizier und Ingenieur John Gregory, der seinen Dienst an Bord der Erebus geleistet hatte. Die für die Identifikation nötige DNA konnte aus Zahn- und Knochenproben gewonnen werden, die 2013 geborgen wurden – auf King William Island.
„Wir wissen jetzt, dass John Gregory einer von drei Expeditionsteilnehmern war, die an diesem speziellen Ort in der Erebus-Bucht an der Südwestküste von King William Island verstarben“, teilte Douglas Stenton, Professor für Anthropologie in Waterloo, im Rahmen einer Presseveröffentlichung mit.
„Dass die Überreste von John Gregory als erste durch eine genetische Analyse identifiziert werden konnten, ist ein unglaublicher Tag für unsere Familie. Und für alle, die sich für die verhängnisvolle Franklin-Expedition interessieren“, zeigte sich der in Südafrika lebende Ur-Ur-Ur-Enkel Jonathan Gregory erfreut über die Nachrichten aus Kanada.
„Die gesamte Familie Gregory ist dem Forschungsteam äußerst dankbar für ihre Hingabe und harte Arbeit, die so wichtig war, um die so lange Zeit eingefrorenen Stücke der Geschichte zu entschlüsseln“, so Gregory weiter.
Mithilfe der DNA-Analyse konnte auch eine Rekonstruktion des Kopfes von John Gregory erstellt werden, die der gescheiterten Franklin-Expedition von nun an für immer ein Gesicht gibt. Über 170 Jahre nach ihrem tragischen Ende.
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