„Sehr bewegend“
England: Mordopfer 500 Jahre nach der Tat beerdigt
Eine Beerdigung der sehr besonderen Art fand zu Beginn dieser Woche auf dem Friedhof der St. Mary’s-Kirche im Dorf South Baddesley in der englischen Grafschaft Hampshire statt. Bestattet wurde dort ein Mann, der vor rund 500 Jahren den Tod fand – höchstwahrscheinlich durch Mord.
Ausgangspunkt zu dieser mysteriös-blutigen, aber irgendwie auch wundervollen Geschichte war ein Spaziergang, den im Mai 2022 Graham Coulter zur Mündung des Lymington River unternahm. Dort, im Schlamm begraben, entdeckte er zufällig etwas, das wie ein menschlicher Knochen aussah.
In der Tat stellte sich nach dem Eintreffen der örtlichen Polizei heraus, dass Coulter auf einen schwer lädierten Schädel gestoßen war. Eine gerichtsmedizinische Ausgrabung förderte anschließend ein zu 80 Prozent vollständiges Skelett zutage.
Schnell war den Ermittlern klar, dass hier kein Zeitgenosse den Tod gefunden hatte, sondern jemand aus einer völlig anderen Zeit. Mit einer Radiokohlenstoffanalyse konnte schließlich der Lebenszeitraum des Vergrabenen ungefähr auf 1450 bis 1650 nach Christus datiert werden.
Damit war es ein Fall für die Forscher von Wessex Archaeology, die bei ihren Untersuchungen herausfanden, dass es sich um einen etwa 1,75 Meter großen Mann gehandelt haben musste, zum Zeitpunkt seines Todes zwischen 20 und 25 Jahre alt.
Der maximal verjährte Mordverdacht basiert auf einer massiven Wunde, die der Mann an seinem Vorderkopf erlitten haben muss. Sehr wahrscheinlich durch einen tödlichen Schlag mit einem dumpfen Gegenstand.
Wie ein Mordopfer, das niemand je finden sollte – gut 500 Jahre ging der Plan auf
Weitere Nachforschungen ergaben, dass es sich bei dem Gebiet um ein ehemaliges Salzwiesengebiet handelte. Daher konnte es sich auch nicht um einen Toten handeln, der von irgendwoher angespült worden war. Die Sache musste sich lokal ereignet haben.
Zur Identität des Mannes gibt es nur vage Vermutungen. Letztlich kamen die Forscher zu dem Schluss, dass der Unbekannte nach der Tat heimlich am Strand vergraben wurde. Eben wie das Opfer eines Verbrechens, das niemand je finden sollte. Gut 500 Jahre ging der Plan auf.
Immerhin fand der Mann nun doch noch eine angemessene Ruhestätte. An der Beisetzung des Unbekannten nahmen Skelettfinder Graham Coulter, einige Archäologen, die 2022 herbeigerufenen Sicherheitskräfte und rund 50 Zaungäste teil.
Begrüßt wurden die Anwesenden von der Kirchengemeinde mit Verweis auf „die Beerdigung eines Mannes aus dem 16. Jahrhundert, den nur Gott kennt“. Bevor der handgefertigte Holzsarg auf dem Friedhof im Boden verschwand, wurde stilecht noch ein mittelalterliches Lied gesungen.
„Ich war wohl sein nächster Nachbar“, so Graham Coulter. „Ich habe dem Gerichtsmediziner geschrieben und gesagt, dass ich gerne bei der Beerdigung dabei sein würde. Es ist schön, dass die Leute gekommen sind, um ihm einen angemessenen Abschied zu geben. Es ist sehr bewegend.“