Zufallsfund bei Restaurierungsarbeiten
England: Wandgemälde aus Tudorzeit in mittelalterlichem Landhaus entdeckt
Der in England ansässige Landmark Trust hat vor wenigen Tagen bekannt gegeben, bei Sanierungsarbeiten in einem mittelalterlichen Landhaus in Yorkshire Wandmalereien aus der Tudorzeit entdeckt zu haben. Diese werden in Form und Umfang als nahezu einzigartig eingestuft.
Fotos: Landmark Trust (www.landmarktrust.org.uk)
Fundort ist Calverley Old Hall, ein über Jahrhunderte gewachsener Gebäudekomplex im beschaulichen Calverley nordöstlich von Bradford. Da dessen Bausubstanz als massiv gefährdet gilt, befindet sich das Anwesen seit den 1980ern in der Obhut der Stiftung.
Farbmotive im Mauerwerk und Momente der Unsicherheit
Bei Routinearbeiten stießen Experten des Trusts zuletzt auf etwas, das sie stutzig machte. Und zwar, als von der Wand eines als unscheinbar beschriebenen Schlafzimmers einzelne Putzstücke entfernt wurden.
Wie Projektleiterin Dr. Anna Keay in einem Artikel schreibt, sollten eigentlich nur die hinter dem Verputz liegenden Holzverstrebungen geprüft werden. Im Wandzwischenraum kamen dann aber Farbschattierungen zum Vorschein, deren Ursprung zunächst unklar war.
„Ist da etwas? Oder ist da nichts?“, beschreibt Keay den spannenden Moment, in dem aus ihrer Sicht so gut wie alles möglich war: vom schlichten Schimmelschaden bis hin zu etwas von historischem Wert.
Gewissheit brachte dann der Einsatz von Restaurierungs-Spezialisten. „Zum Vorschein kam, was wir nicht zu hoffen gewagt hatten“, beschreibt Keay die farbenfrohe Wandmalerei, von der schnell klar war, dass sie aus der Tudor-Epoche (1485 bis 1603) stammt.
Machart und Hintergrund der Wandmalerei in Calverley
Wie der Bildergalerie oben zu entnehmen, handelt es sich um eine großflächige Wandmalerei aus dem 16. Jahrhundert, die sich nach Art einer dekorativen Tapete über drei komplette Wände des Raumes erstreckt – bestehend aus detailverliebten Darstellungen von Köpfen, Ranken, Bordüren, Vögeln oder auch Blütenblättern.
Nach ersten Untersuchungen gehen die Motive eindeutig auf das „Goldene Haus“ (Domus Aurea) des römischen Kaisers Nero (37 bis 68 n. Chr.) zurück, der den Palast nach dem verheerenden Brand Roms im Jahr 64 errichten und mit sehr fantasievollen Wandmalereien ausstatten ließ.
Nachahmung fanden die Muster im Inneren des Palastes ab dem späten 15. Jahrhundert in den Häusern der besseren Gesellschaft. Erst in Italien, später dann auch in England, wo der Malstil meist im Süden angewandt wurde – zudem recht grob in der Ausführung.
Das ist bei dem Fund in Calverley klar nicht der Fall. „Ich habe nirgendwo sonst eine so sorgfältig geplante Arbeit dieser Art gesehen“, teilte eine Historikerin des Landmark Trust in einem Pressestatement mit.
Zudem würden die frisch gefundenen Wandmalereien viel über die ehemalige Besitzerfamilie aussagen. „Diese Wandmalereien verraten uns, dass die Bewohner des alten Herrenhauses alles andere als rückständig waren. Sie waren hochgebildet, sehr kultiviert und wollten ihr Haus auf den neuesten Stand bringen“, urteilt die Expertin.
Weiterführende Informationen zum Thema
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Der Landmark-Trust: Gleich nach Bekanntwerden der historischen Dimension hat der Landmark-Trust einen Aufruf gestartet, um Spendengelder im hohen fünfstelligen Pfundbereich zu sammeln.
Ziel ist die langfristige Erhaltung der Wandgemälde. Die Stiftung selbst hat die Aufgabe, vom Verfall bedrohte Gebäude zu restaurieren, um sie nachfolgend als Ferienunterkünfte zu vermieten. Das gilt auch für Calverley Old Hall.
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Calverley Old Hall ist ein mittelalterliches Herrenhaus im englischen West Yorkshire, das unter Denkmalschutz steht. Die ältesten Teile des Anwesens stammen vermutlich aus dem 14. Jahrhundert. Zu den späteren Anbauten gehört ein Wohntrakt, der im frühen 16. Jahrhundert von Sir William Calverley für seine Großfamilie errichtet worden ist. Calverley Old Hall kann über den Landmark-Trust angemietet werden (für etwa 100 Euro pro Nacht).
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Domus Aurea, das „Goldene Haus“ von Kaiser Nero, wurde nach dem verheerenden Brand Roms auf dem Gelände eines früheren Palastes (Domus Transitoria) errichtet, wobei offen scheint, ob es je zur endgültigen Fertigstellung kam. Gestaltet wurden die Wände von einem römischen Maler namens Fabullus.
Nach Neros Tod wurden Teile des riesigen Komplexes wieder abgerissen oder umgewandelt, womit auch die kostbaren Wandmalereien in Vergessenheit gerieten. Erst im 15. Jahrhundert wurden Teile davon durch Zufall wiederentdeckt und elektrisierten fortan die Künstler dieser Zeit.
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