Estnisch-finnische Studie
Die Angst, beim Essen Neues auszuprobieren, ist schlecht für Gesundheit
Vielleicht ist es nicht ganz falsch von Eltern, ihre Kinder dazu anzuhalten, neue Lebensmittel auszuprobieren. Je vertrauter eine Person mit verschiedenen Lebensmitteln ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie sich abwechslungsreicher ernährt.
Nahrungsmittel-Neophobie, also die Angst, neue, unbekannte Lebensmittel zu probieren, deutet auf eine einseitige Ernährung hin und begünstigt folglich verschiedene ernährungsbedingte Stoffwechselerkrankungen. Dies wurde in einer gemeinsamen Studie von Wissenschaftlern der Universität Tartu und der Universität Helsinki herausgefunden. Davon berichtete Anfang August die Website researchinestonia.eu. Mit der abwechslungsreichen Ernährung könne man nicht früh genug beginnen, heißt es in dem Artikel.
Menschen mit Nahrungsmittel-Neophobie vermeiden es, Nahrungsmittel zu probieren, die sie nicht kennen. Dies kann wiederum eine einseitige Ernährung und die Entwicklung von chronischen Krankheiten und Zivilisationskrankheit fördern, beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes.
Frühere Studien haben gezeigt, dass Nahrungsmittel-Neophobie stark erblich ist. In einer Studie aus dem Jahr 2007, die auf Daten aus Finnland und Großbritannien basiert, wurde beispielsweise festgestellt, dass zwei Drittel der Entwicklung von Nahrungsmittelneophobie durch Vererbung erklärt werden können.
Nele Taba, eine der Autorinnen der Studie, Doktorandin am estnischen Genomzentrum, stellte fest, dass Nahrungsneophobie zwar genetisch vererbt sein könne, aber noch wichtiger sei das Verhalten der Eltern, die ihre Ernährungsgewohnheiten mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ihre Kinder übertrügen.
„Die Ernährung eines Kindes hängt weitgehend davon ab, was es zu essen bekommt. Wenn Kinder sich von Anfang an an neue Geschmäcker gewöhnen, ernähren sie sich später mit größerer Wahrscheinlichkeit abwechslungsreicher“, sagt Taba. Die Nahrungsmittel-Neophobie sei besonders weit bei Kindern und älteren Menschen verbreitet, so die Wissenschaftlerin weiter.
Noch mehr Fette und Salz
Die Studie ergab, dass die Angst vor dem Ausprobieren unbekannter Lebensmittel dazu führt, dass die Betroffenen zu wenig Ballaststoffe, Eiweiß und einfach ungesättigte Fettsäuren zu sich nehmen. Gleichzeitig erhalten sie jedoch zu viele gesättigte Fette und Salz.
Laut Taba könnte der Grund dafür sein, dass Lebenmittel-Neophobiker weniger Fisch und Gemüse äßen, dafür stünden fettige, salzige und süße Lebenmittel umso häufiger auf der Speisekarte. Diese Lebensmittel erschienen den Menschen attraktiver, da der Körper innerhalb kurzer Zeit eine Energiezufuhr erfahre.
Doch diese kalorienreiche Ernährung sei für den heutigen Menschen ungeeignet, da er all die zugeführte Energie bei seiner Lebensweise gar nicht verbrauche.
Fischmangel
Darüber hinaus zeigte die Studie, dass Nahrungsmittel-Neophobie stark mit einem ungesünderen Fettsäureprofil und entzündungsbedingten Biomarkern zusammenhängt. Dies alles ebnet den Weg für Ernährungsbedingte Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes.
Nele Taba brachte das Beispiel, dass eine Person mit Nahrungsmittel-Neophobie, die Fische aus ihrem Speiseplan streiche. Dies führe zu niedrigeren Werten von Omega-3-Fettsäuren im Blut.
Da Omega-3-Fettsäuren entzündungshemmend sind und das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringern, könnte dies erklären, warum die Neophobie bei Nahrungsmitteln gesundheitsschädlich ist.
Bisher hat man Ernährungsgewohnheiten vor allem mit Übergewicht in Verbindung gebracht, doch die Studie zeigt, dass Nahrungsmittel-Neophobie unabhängig von Gewicht, Alter, sozioökonomischem Hintergrund und Wohnort sich auf die Gesundheit auswirkt.
Aus dem Ergebnis leitet Nele Taba folgende Empfehlung an die Eltern ab: „Es ist gut, Kindern verschiedene Lebensmittel anzubieten. Lassen Sie sie das Essen probieren, sie müssen nicht alles essen, es ist nur wichtig, dass sie sich daran gewöhnen, neue Lebensmittel zu probieren.“
Die Studie bewertete die Neophobie bei Nahrungsmitteln mithilfe eines Fragebogens mit zehn Aussagen (Food Neophobia Scale, FNS). Untersucht wurden Personen im Alter zwischen 25 und 74 Jahren, die an der finnischen DILGOM-Studie teilnahmen, sowie auf Genspendern der estnischen Biobank im Alter zwischen 18 und 83 Jahren. In beiden Gruppen wurden Krankheitsverläufe etwa acht Jahren überwacht.
ap