Historische Handschriften entziffern
Digitale Schatzsuche im Estnischen Kulturhistorischen Archiv
Jeder interessierte Laie kann sich bei diesem Projekt an der Forschung beteiligen, von Zuhause aus. Sind Sie ein Bürgerwissenschaftler?
Im Rahmen ihrer Magisterarbeit hat die Volkskundlerin Larissa Leiminger ein Citizen Science-Projekt gestartet, um mit Hilfe von vielen digitalen Schatzsuchern den Handschriftenindex der Gelehrten Estnischen Gesellschaft zu transkribieren.
Leiminger studiert einerseits die kulturell wertvollen Archive der Gelehrten Estnischen Gesellschaft, andererseits führt sie mit ihrem Engagement die Arbeit dieser Gesellschaft fort. Die Aufgabe der GEG besteht in der Erforschung der Sprache, Kultur und Literatur der Esten.
Die Gelehrte Estnische Gesellschaft (estnisch: Õpetatud Eesti Selts) wurde 1838 im Umfeld der Universität Dorpat (dem heutigen Tartu) in Estland gegründet. Ihre Mitglieder waren deutschbaltische Literaten mit großem Interesse an der estnischen Kultur, Geschichte, Sprache und Volkskunde. Deshalb sammelten sie alles mit Bezug zu diesen Aspekten und dem Gebiet Estland/Livland.
Während der ersten Jahre nach der Gründung war die Veröffentlichung des estnischen Nationalepos Kalevipoeg mit deutscher Übersetzung von herausragender Bedeutung. Später verlagerte sich die Arbeit der Gelehrten Gesellschaft hin zur wissenschaftlichen Untersuchung der estnischen Kultur und Sprache.
Eine der Sammlungen umfasst alle Handschriften und Manuskripte, die von der Gesellschaft erworben wurden. Um einen Überblick über diese Materialien zu behalten, wurde von ca. 1843 bis 1910 ein Akquisitions-Katalog geführt. Dieser wurde in zwei Abschnitte aufgeteilt: Zum einen estnische Dokumente und zum anderen alle restlichen Dokumente. Wobei hier der estnische Teil auch zu einem Großteil in Deutsch formuliert ist und der restliche Teil größtenteils deutsche Materialien enthält.
Bewegte Geschichte führt zum Chaos
Während der sowjetischen Herrschaft in Estland wurde die Gesellschaft in den späten 1940er Jahren zuerst der Akademie der Wissenschaften der Estnischen Sozialistischen Sowjetrepublik unterstellt, und im Juni 1950 ganz aufgelöst. Die Sammlung ging durch viele verschiedene Hände. Bis im Oktober 1988 die Wiedergründung erfolgte.
Heute befindet sich die Sammlung im Estnischen Kulturhistorischen Archiv und dem Estnischen Folklore Archiv in Tartu. Während letzteres jedoch die anfängliche Nummerierung beibehielt, sortierte das Estnische Kulturhistorische Archiv seine Materialien neu und gab diesen eigenständige Referenznummern. Dadurch ging die ursprüngliche Verbindung zwischen den verschiedenen Manuskripten verloren, die es nun wiederherzustellen gilt.
Handschriften entziffern ist das eine, die Deutsche Kurrentschrift das andere
Der Index wurde von vielen verschiedenen Personen mit sehr unterschiedlichen Handschriften geschrieben und dies zum Großteil in deutscher Kurrentschrift. Eine spannende Herausforderung für jeden, der es liebt, historische Handschriften zu „übersetzen“. Doch die Forschungsarbeit ist für Laien leichter als es klingt.
Die Arbeit ist in drei verschiedene Arten unterteilt, der Einstieg ist relativ einfach.
Die drei Schritte der wissenschaftlichen Arbeit sind:
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Die Original-Nummern mit den dazugehörigen aktuellen Referenznummern der Archive in Verbindung bringen.
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Die estnischen Titel innerhalb des Index identifizieren und eventuell weitere Sprachen entdecken.
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Die einzelnen Titel für die weitere digitale Verarbeitung der Materialien markieren und transkribieren.
Larissa Leiminger studiert an der Universität Tartu Europäische Ethnologie und angewandte Kulturerbestudien am Institut für Estnische und vergleichende Volkskunde. Die Hälfte der historischen Dokumente konnte Leiminger bereits in Eigenarbeit transkribieren, jedoch zwingt sie der Umfang der Sammlung dazu, um die Hilfe vieler zu bitten.
Wie immer bei der Citizen Science gilt auch hier: Je mehr mitmachen, desto besser. Hier geht es zum Projekt der Gelehrten Estnischen Gesellschaft.
ap