„Dürfen nicht ihre Zeit in Europa genießen“
Estland: Einreiseverbot für russische Staatsbürger seit Donnerstag in Kraft
Seit diesem Donnerstag ist es russischen Staatsbürgern nur noch unter ganz bestimmten Auflagen gestattet, estnisches Territorium zu betreten. Die fälligen Kontrollen an Grenzstationen wie Narva oder Luhamaa werden von den Sicherheitsbehörden des Landes durchgeführt.
Zuletzt sind im Durchschnitt etwa 2.500 Russinnen und Russen aus den unterschiedlichsten Gründen über die Grenze gereist. Viele davon mit einem Visum, das in Estland ausgestellt wurde (für diese Gruppe gilt ab sofort das Einreiseverbot).
Andere wiederum reisen mit Visa ein, die ihnen von anderen EU-Staaten bzw. Mitgliedern des Schengen-Raums ausgestellt wurden. In diesen Fällen darf die Reise auch in Zukunft weitergehen, da Estland – ob nun gewollt oder nicht – auf die Vergabepraktiken anderer Staaten keinen Einfluss hat.
Und es gelten weitere Ausnahmen, die Russinnen und Russen zur Einreise nach Estland berechtigen:
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Besuche bei engen Verwandten, die in Estland leben oder estnische Staatsbürger sind.
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Russische Diplomaten, die in Estland arbeiten (samt Familienangehörige).
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Personal aus dem internationalen Güter- und Personenverkehr.
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Personen, denen die Einreise aufgrund von EU-Recht gestattet ist.
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Personen, die nach estnischer Lesart aus humanitären Gründen einreisen.
Estlands Innenminister Lauri Läänemets teilte am Donnerstag mit, die Sanktionen seien notwendig, da Russland mit seinem Angriff auf die Ukraine auch die europäischen Werte und Freiheiten angreife.
„Daher können russische Bürger nicht wie selbstverständlich die Freiheit haben, die Möglichkeiten zu genießen, die die Europäische Union bietet – sei es im Urlaub, in der Bildung oder bei geschäftlichen Aktivitäten“, so Läänemets weiter.
„Um eine wirkliche Sanktionswirkung zu erzielen, sollten die Visabeschränkungen von allen EU-Mitgliedstaaten angewandt werden“, richtete Läänemets den Blick dann noch Richtung Brüssel, wo in den kommenden Tagen und Wochen um eine einheitliche Lösung gerungen wird.
Auch Außenministerin Urmas Reinsalu äußerte sich am Donnerstag zu der in Moskau äußerst kritisch beäugten Neuregelung: „Wir werden nicht dulden, dass russische Touristen in Europa ihre Zeit genießen, während in der Ukraine täglich Menschen massakriert werden.“
Entgegenkommend ist man hingegen bei russischen Studierenden, die in Estland noch an ihrem Abschluss arbeiten. Sollte dieser nicht in der Regelstudienzeit erworben worden sein, haben Betroffene laut ERR.ee die Möglichkeit, eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu beantragen.
Von einem Jahr zusätzlich ist die Rede. Damit lässt sich wohl sagen, dass Estland keine kollektive Abstrafung von Russinnen und Russen betreibt, sondern nachvollziehbar gruppiert.
Wer in Estland und Europa einfach urlauben möchte, gehört ab sofort zur Gruppe „unerwünscht“. Bei Einreisen mit Sachbezug sowie familiären oder humanitären Hintergründen sieht das deutlich anders aus.